Die Farm am Eukalyptushain
harte Arbeit gekannt hatte, schwang den Spazierstock. Der Mann war ihr ein Rätsel – ein faszinierendes Rätsel. Doch es wäre nicht klug, ihm zu vertrauen, denn tatsächlich hatte Francis Albert Kane etwas Seltsames an sich.
Alles war bereit für die morgige Vorstellung. Alle im Lager waren zur Ruhe gegangen. Der Wagen war lang und ziemlich schmal, und das Bett, das jede Nacht vorn hergerichtet wurde, nahm fast die ganze Breite in Anspruch. Catriona schlief am anderen Ende auf einer Matratze, umgeben von Kostümkörben und Kisten. Unter dem Boden des Wagens war ein tiefes Staufach, in dem Requisiten und Kochutensilien untergebracht waren, und über ihnen, am hölzernen Dach, hingen Mousseline-Beutel mit Perücken und Masken, die schonend verpackt werden mussten.
Velda schmiegte sich an Declan; es war nachts kalt hier draußen in den Eisenerzbergen, und sie war dankbar für seine Wärme unter den Decken. Aber so müde sie auch war, sie konnte nicht schlafen. Sorgenvoll kreisten ihre Gedanken um die Zukunft, denn selbst die Ankunft einer so erhabenen Persönlichkeit wie Kane brachte keine Hoffnung. Ihr Leben wurde von zwei Seiten bedroht: Einerseits raubte die Wirtschaftskrise ihnen Kraft und Begeisterung und brachte sie langsam um, und andererseits war der Kintopp in die Welt gekommen und lieferte Komödie und Drama in Bildern, wie die Bühne sie nicht hervorbringen konnte. Die Music Hall wollte kaum noch jemand besuchen.
So lag Velda im Dunkeln, den Kopf auf Declans Arm gebettet, während seine Finger sanft über ihre Schulter strichen. Sie hatten endlos darüber diskutiert, welches der beste Weg für sie sein könnte, aber anscheinend gab es nur eine Antwort: Sie mussten das fahrende Leben aufgeben. Sie mussten versuchen, Arbeit in den Großstadttheatern zu finden – selbst wenn es bedeutete, ins Varieté zu gehen. Es schauderte sie bei dem bloßen Gedanken. Kein Künstler mit Selbstachtung würde sich so tief erniedrigen. Sie würde lieber die Straße fegen, als sich in die Gesellschaft von Stripperinnen und zweifelhaften Komikern zu begeben.
Wie immer konnte Declan ihre Gedanken lesen. »Wir werden einen Weg finden«, flüsterte er. »Vielleicht kommen mit Mr Kane wieder bessere Zeiten.«
Catrionas wegen, die am anderen Ende des Wagens schlief, flüsterte auch sie. »Mr Kane ist auf alle Fälle sehr unterhaltsam«, sagte sie. »Es ist lange her, dass wir so viel gelacht haben.«
Anscheinend spürte er den Zweifel in ihrer Stimme, denn er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. »Er ist der geborene Raconteur. Ich weiß nicht, warum er die Bühne je verlassen hat.«
Velda zog sich die Decke unter das Kinn. Sie sah den Sternenhimmel durch einen Spalt im Vorhang am Ende des Wagens und hörte den Wind in den Bäumen. »Was hat er für eine Geschichte?«
Declan lachte leise. »Sie haben doch alle eine, oder?«
Er schwieg eine Weile, und Velda fragte sich, was er dachte. Viele der Männer und Frauen, die in den letzten elf Jahren mit ihnen gereist waren, hatten es getan, weil sie auf der Flucht vor irgendetwas oder vor jemandem waren. So mancher Artist und Künstler hatte ein Geheimnis; das war eine Tatsache, die akzeptiert und nicht hinterfragt wurde, solange jeder zeigte, dass er etwas wert war, und der Truppe keine Schande machte. Mit Kane war es anders. Velda wusste nicht, was sie mit ihm anfangen sollte.
»Wir haben uns lange unterhalten, als wir auf der Schaffarm waren, um Wasser zu holen. Natürlich ist er aus England – mit dem Akzent kann er nirgendwo anders herkommen.« Velda hörte seiner Stimme an, dass er lächelte. »Er ist vor ein paar Jahren mit einem Tournee-Ensemble herübergekommen, und als man ihm ein Engagement bei einer Theaterkompanie in Sydney angeboten hat, ist er hier geblieben. Er hat in den besten Theatern gearbeitet, der Glückspilz.«
»Und warum ist er dann in Lightning Ridge?«
Declan zuckte die Achseln. »Wie er gesagt hat – das Prospektorenfieber hat ihn befallen, und er hat beschlossen, sein Glück zu versuchen. Nach allem, was er sagt, war er beim Goldsuchen ziemlich erfolgreich, und so dachte er, er sollte es auch hier mal versuchen.«
»Und warum will er dann bei uns eintreten?« Velda ließ nicht locker. »Wenn er Geld hat, kann er doch in die Stadt zurückgehen.«
»Ich habe ihn nicht gefragt. Du kennst die Regeln, Velda. Jeder hat ein Recht auf sein Privatleben. Wir schnüffeln nicht.«
Velda war noch lange nicht zufrieden. »Poppy traut ihm nicht«,
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