Die Farm am Eukalyptushain
den nächsten Baum; ihre mörderischen Krallen gruben sich in die Rinde.
Harriet hielt sich am Türgriff fest und versuchte, einigermaßen das Gleichgewicht zu halten, als der Mietwagen holpernd, schaukelnd und schwankend durch die ausgefahrene Spur rumpelte. »Denk nur an die fünfzehnhundert Dollar Kaution, die wir verlieren, wenn wir ihn kaputtmachen«, brachte sie hervor, als Rosa krachend zurückschaltete und ein Hinterrad in eine tiefe Rinne geriet, sodass der Auspuff über die Steine schrammte.
»Was soll ich machen?«, knurrte Rosa. »Connor hat schon vor Jahren gesagt, er will die Straße instand setzen.«
Offensichtlich wurde die Piste kaum benutzt, und es hätte ein Vermögen gekostet, sie zu asphaltieren. Harriet hatte Verständnis für Connors Zögern. Ihr stockte der Atem, als sie den Schatten der Bäume verließen und den Gipfel der kleinen Anhöhe erreichten. Im Tal unter ihnen lag Belvedere im weichen Licht der Nachmittagssonne, vertraut und einladend wie immer. Sie seufzte zufrieden. Sie war zu Hause.
Catriona saß vor der Frisierkommode und betrachtete sich im Spiegel. Schlaflose Nächte und düstere Gedanken spielten ihrem Teint übel mit, erkannte sie, als sie sich schminkte und ihr Haarbürstete. Sie nahm die Perlenkette aus ihrem Schmuckkasten, legte sie sich um den Hals und befestigte die dazugehörigen Ohrstecker.
Ihre Brillantringe funkelten, als sie aufstand und das Kleid über den Hüften glatt strich. Es war buttergelb, schmal und gerade geschnitten und reichte knapp bis unter die Knie. Ein Chiffonschal und flache Pumps waren die einzigen Accessoires. Das musste genügen. Sie atmete tief durch und zwang sich zu einem Lächeln. Die Mädchen kamen nach Hause, und sie durften ihr auf keinen Fall anmerken, dass sie sich aus irgendeinem Grund Sorgen machte.
Sie hörte ein Auto und schaute aus dem Fenster. Das waren sie. Sie lief hinaus, stieß die Fliegentür auf, dass sie krachend gegen die Wand flog, und als der Wagen vor der Verandatreppe hielt, war sie schon unten.
»Mum!« Rosa fiel ihr um den Hals und hätte sie beinahe umgeworfen.
»Catriona«, schrie Harriet und umarmte sie ebenfalls.
Sie hielt die beiden fest und wollte sie gar nicht mehr loslassen. Ihre Mädchen waren wieder zu Hause. Alles würde gut werden.
ZWEIUNDZWANZIG
H arriet ließ Rosa und Catriona allein, damit sie einander die letzten Neuigkeiten erzählen konnten, und trat hinaus auf die Veranda. Leise Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer; Harriet konnte zwar nichts verstehen, aber an Catrionas Lachen erkannte sie, dass Rosa ihrer Mutter von ihren Großstadtabenteuern berichtete.
Sie lehnte sich an das Verandageländer, atmete die warme, duftende Luft und spürte die vertraute Zufriedenheit, die sie hier auf Belvedere immer überkam. Sie schaute hinaus über den weiten Hof und betrachtete Nebengebäude, Ställe und Corrals und verglich sie mit ihrer gewohnten Umgebung. Die Stadt war eine andere Welt.
In Sydney säße sie jetzt an ihrem Schreibtisch oder müsste sich durch den dichten Verkehr zum Gericht durchschlagen. Der Blick aus dem Fenster wäre von einer anderen Erhabenheit: gläserne Türme, die sich im Wasser vor dem elegant geschwungenen Dach der Oper spiegelten. Ihren Arbeitstag verbrachte sie in der sorgsam gedämpften Atmosphäre der Kanzlei und mit den Ritualen der Rechtsprechung. Das waren Beschränkungen des Berufs, den sie sich ausgesucht hatte. Aber hier? Hier war sie frei.
Sie seufzte vor Behagen. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, und die Hitze lag wie ein flimmernder Dunst über dem Land. Ein Road Train war angekommen; die drei großen Viehanhänger ließen eine Staubwolke über den Hof wehen. DerStaub wirbelte umher und legte sich schließlich wie ein rostbrauner Schleier auf alles. Eine Herde brüllender Jungstiere wurde über die Rampen in die doppelstöckigen Wagen getrieben.
Connor war noch nicht im Farmhaus erschienen, um sie zu begrüßen, aber nun drehte er sich um und legte lachend einen Finger an die Hutkrempe. Harriet sah ihm und den anderen Männern eine Weile zu, bis sie merkte, dass auch sie verstohlen gemustert wurde. Sie sah es an den Blicken, die unter schweißfleckigen Buschhüten zu ihr wanderten, an der bemühten Nonchalance, mit der sie hin und her gingen und vorgaben, in ihre Arbeit vertieft zu sein, während sie sie heimlich begutachteten.
Sie senkte den Kopf und unterdrückte ein Lächeln. Sie hörte keine Pfiffe oder zotigen Bemerkungen. Wie hatte ihr
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