Die Farm am Eukalyptushain
zu erfahren, wer er wirklich war.«
Catriona hatte nicht gewusst, wie erschöpft sie wirklich war. Ihr Geburtstagsfest kam und ging, und endlich hatte sie Gelegenheit, sich auszuruhen und zu schlafen. Es war eine heilsame Erneuerung für Kopf und Herz, und es brachte Trost. Die Schuld, die sie so viele Jahre mit sich herumgetragen hatte, war gebannt, dahingefegt von der Erkenntnis, dass in Wahrheit sie das Opfer gewesen war.
Wütend stellte sie den Kessel auf den Herd. Sie würde nicht zulassen, dass diese tückischen Gedanken den Heilungsprozess vereitelten. Sie war reinen Herzens, unbelastet und wieder gesund. Kane war tot und begraben, und seine sündige Seele mochte vermodern. Er konnte sie nicht mehr anrühren.
Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, lauschte sie den Geräuschen von Belvedere . Das alte Haus knarrte, wisperte und ächzte, und die Opossums auf dem Dach veranstalteten das übliche Getöse. Sie hörte die Männer auf dem Hof, das Muhen der Milchkühe und das leise, aufgebrachte Glucken der Hühner im Stall. Irgendwo bellte ein Hund; Woody hämmerte und bohrte. Wahrscheinlich reparierte er die Scheune, das war längst fällig. Sie hörte Schritte auf der Veranda. Die Fliegentür quietschte und fiel zu. Sie sah auf die Uhr. Es war vier Uhr nachmittags. Anscheinend war Rosa von ihrem Ritt zurück.
»Wie geht’s?« Das fröhliche Gesicht schaute zur Tür herein, und die Wangen glühten von frischer Luft und Sonnenschein.
»Gut.« Catriona goss Tee in zwei Becher und machte sich auf einen langen Schwatz gefasst. Rosa roch nach Sonne und Pferd, und Catriona fühlte sich jäh daran erinnert, dass sie seit über einer Woche nicht mehr ausgeritten war. »Du siehst aus, als hätte das Reiten Spaß gemacht. Ist Connor mitgekommen?«
Rosa ließ sich auf einen Stuhl fallen und fuhr sich durch die Haare. Sie waren verschwitzt und standen wie immer zu Berge. »Ja. Der alte Knacker hat anscheinend endlich begriffen, dass es mehr im Leben gibt als bloß Kühe.« Sie lachte. »Wir sind zu unserem alten Häuschen hinübergeritten und haben uns ein bisschen umgesehen. Es war seltsam, alles wiederzusehen.«
Catriona lächelte. »Es ist immer seltsam, zu den Orten der Kindheit zurückzukehren«, sagte sie. »Alles ist kleiner, als wir es in Erinnerung haben.«
Rosa zog ein Gesicht. »Kleiner, schäbiger. Ich kann gar nicht glauben, dass wir zu fünft da gewohnt haben. Kein Wunder, dass unser Leben ein Chaos war.«
»Euer Vater hat seinen Teil dazu beigetragen«, sagte Catriona.
»Ein Glück, dass er so früh verschwunden ist.« Rosa zupfte an einem Faden an ihrem Hemd. »Ich kann mich überhaupt nicht an ihn erinnern. Der arme Connor«, seufzte sie. »Er hat dieNarben immer noch, weißt du? Hier drin.« Sie berührte ihren Kopf.
»Er ist viel selbstsicherer als früher«, sagte Catriona. »Die Zeit hat dafür gesorgt. Und nachdem er und Belinda jetzt vernünftig geworden sind, werden wir ihn sicher noch aufblühen sehen.«
Rosa lächelte. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie seine Telefonrechnung aussehen wird. Sie reden dauernd miteinander. Ist die Liebe nicht schön?« Rosa sprang auf und verschwand in der Speisekammer.
Catriona trat ans Fenster. Connor ging mit festem Schritt über den Hof. Jetzt, da sein Herz so leicht war, schien auch die Knieverletzung ihm weniger Beschwerden zu machen als früher. In seiner Haltung zeigte sich ein neues Vertrauen in sich selbst und in sein Leben, und Catriona hoffte inbrünstig, dass es so bleiben möge.
Rosa brachte ein Stück Kuchen für sie beide in die Küche. »Den habe ich heute Morgen gebacken, als du drüben bei Cookie warst«, sagte sie und beäugte ihn kritisch. »Sieht ganz okay aus, aber ich weiß nicht, wie er schmeckt.«
Catriona nahm ein Stück von dem Schokoladenkuchen und zog die Brauen hoch. »Er ist köstlich. Ich wusste nicht, dass du backen kannst.«
»Ich kann es, wenn ich will. Ich habe bloß meistens keine Lust. Woolworth und ich haben da eine Abmachung. Sie backen den Kuchen, ich kaufe ihn.«
Catriona sah Rosa an und begriff plötzlich, was hinter so viel Häuslichkeit steckte. »Du musst dich langweilen, Liebling.«
»Ich langweile mich nicht«, sagte Rosa. »Ich bin unruhig. Im Büro stapelt sich die Arbeit, und mein Boss wird allmählich ungeduldig.« Sie stellte ihre Teetasse ab und schaute Catriona an. »Ich muss bald abreisen, Mum. Meine zwei Wochen sind fast vorbei.«
»Ich werde dich schrecklich vermissen.«
Weitere Kostenlose Bücher