Die Farm
Küchenarbeiten zu erledigen. Gran hielt sich stets in der Nähe des Herdes auf, überwachte das Maisbrot, rührte Kartoffeln, Okra und Mais um. Meine Mutter blieb in der Nähe der Spüle, wo sie Tomaten enthäutete und schmutzige Teller aufeinander stapelte. Ich beobachtete sie vom Küchentisch aus, wo ich jeden Abend saß und mit einem Schälmesser Gurken schälte.
Beide liebten Musik, und gelegentlich summte die eine, während die andere leise sang. Die Musik hielt die Spannung im Zaum.
Nicht so heute Abend. Sie waren zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um zu singen und zu summen. Meine Mutter war empört darüber, dass die Mexikaner wie Vieh transportiert worden waren. Meine Großmutter schmollte, weil die Spruills den Hof vor dem Haus besetzt hatten.
Um Punkt sechs Uhr zog Gran ihre Schürze aus und setzte sich mir gegenüber. Das eine Ende des Tisches war direkt an die Wand gerückt und diente als Ablage für viele Dinge. In der Mitte stand ein RCA-Radio mit einem Gehäuse aus Walnussholz. Sie schaltete es ein und lächelte mich an.
Die CBS-Nachrichten wurden von Edward R. Murrow gesprochen, live aus New York. Seit einer Woche wurde in Pyong-Yang schwer gekämpft, nahe dem Japanischen Meer, und dank einer alten Landkarte, die Gran auf ihrem Nachtkästchen aufbewahrte, wussten wir, dass Rickys Infanteriedivision in der Gegend stationiert war. Zwei Wochen zuvor war sein letzter Brief eingetroffen. Es war eine schnell hingeschriebene Nachricht, aber wenn man zwischen den Zeilen las, hatte man den Eindruck, dass er sich mitten im Kampfgebiet befand.
Nachdem Mr Murrow mit seiner ersten Meldung über einen Streit mit den Russen zu Ende war, sprach er über Korea, und Gran schloss die Augen. Sie faltete die Hände, legte beide Zeigefinger an die Lippen und wartete.
Ich war mir nicht sicher, worauf sie wartete. Mr Murrow würde der Nation nicht verkünden, ob Ricky Chandler tot oder lebendig war.
Auch meine Mutter hörte zu. Sie stand da, mit dem Rücken zur Spüle, wischte ihre Hände an einem Handtuch ab und starrte ausdruckslos auf den Tisch. So war es fast jeden Abend im Sommer und Herbst 1952.
Friedensbemühungen waren initiiert und wieder aufgegeben worden. Die Chinesen zogen sich zurück und griffen dann erneut an. Mr Murrows Berichte und Rickys Briefe ließen uns den Krieg miterleben.
Pappy und mein Vater wollten die Nachrichten nicht hören.
Sie beschäftigten sich draußen, im Geräteschuppen oder an der Wasserpumpe, erledigten kleine Arbeiten, die auch hätten warten können, sie sprachen über die Ernte, suchten nach etwas anderem als Ricky, um sich Sorgen zu machen. Beide hatten in Kriegen gekämpft. Sie brauchten Mr Murrow in New York nicht, der ihnen den Bericht eines Korrespondenten in Korea vorlas und der Nation erzählte, was in dieser oder jener Schlacht geschah. Sie wussten es.
An diesem Abend jedenfalls war die Meldung über Korea kurz, und das wurde in unserem kleinen Farmhaus als gute Nachricht aufgenommen. Mr Murrow ging zu anderen Themen über, und Gran lächelte mich schließlich an. »Ricky geht’s gut«, sagte sie und rieb meine Hand. »Er wird früher zu Hause sein, als du denkst.«
Sie hatte sich das Recht verdient, das zu glauben. Während des Ersten Weltkriegs hatte sie auf Pappy gewartet, während des Zweiten Weltkriegs hatte sie bis nach Europa für meinen Vater und die Heilung seiner Wunden gebetet. Ihre Jungs kamen immer nach Hause, und Ricky würde uns nicht im Stich lassen.
Sie schaltete das Radio aus. Die Kartoffeln und Okra-schoten verlangten nach ihrer Aufmerksamkeit. Sie und meine Mutter wandten sich wieder dem Kochen zu, und wir warteten darauf, dass Pappy durch die Fliegengittertür hereinkäme.
Ich glaube, Pappy rechnete mit dem Schlimmsten, was den Krieg anbelangte. In diesem Jahrhundert hatten die Chandlers bislang Glück gehabt. Er wollte die Nachrichten nicht hören, aber er wollte wissen, ob die Lage gut oder schlecht aussah.
Wenn er das Radio nicht mehr hörte, kam er für gewöhnlich in die Küche. An diesem Abend blieb er neben dem Tisch stehen und zerzauste mir das Haar. Gran sah ihn an. Sie lächelte und sagte: »Keine schlechten Nachrichten.«
Meine Mutter erzählte mir, dass Gran und Pappy oft nur eine oder zwei Stunden schliefen, bevor sie aufwachten und sich Sorgen um ihren jüngeren Sohn machten. Gran war überzeugt, dass Ricky zurückkommen würde. Pappy war es nicht.
Um halb sieben setzten wir uns an den Tisch, fassten uns bei den
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