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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sich zu binden. Vor mir sah ich den Baumwollanhänger, und ich wusste, dass er dort zuarbeitete.
    Jesse Chandler war der ältere Sohn von Pappy und Gran. Sein jüngerer Bruder Ricky war neunzehn und kämpfte irgendwo in Korea. Er hatte noch zwei Schwestern, die von der Farm geflüchtet waren, sobald sie die Highschool beendet hatten.
    Mein Vater flüchtete nicht. Er war entschlossen, Farmer zu sein wie sein Vater und sein Großvater, nur dass er der erste Chandler wäre, dem das Land gehörte. Ich wusste nicht, ob er von einem Leben fern der Felder träumte. Wie mein Großvater war er ein hervorragender Baseballspieler gewesen, und ich bin sicher, dass er irgendwann einmal vom Ruhm in einer Profi-Liga geträumt hatte. Aber 1944 traf ihn in Anzio eine deutsche Kugel in den Oberschenkel, und damit war seine Baseballkarriere beendet.
    Er hinkte ganz leicht, aber das taten die meisten, die sich auf den Baumwollfeldern abplagten.
    Ich blieb neben dem Baumwollanhänger stehen, der fast leer war. Er stand auf einem schmalen Feldweg und wartete darauf, gefüllt zu werden. Ich kletterte auf den Anhänger. Zu allen Seiten erstreckten sich ordentliche Reihen grüner und brauner Sträucher bis zu den Bäumen, die unser Land begrenzten. Am Ende der Zweige platzten dicke Samenkapseln auf. Überall erwachte die Baumwolle zu vollem Leben, und als ich auf den Wagen stieg und mich umschaute, sah ich einen Ozean aus Weiß. Auf den Feldern herrschte Stille - keine Stimmen, keine Traktorengeräusche, keine Fahrzeuge auf den Feldwegen. Als ich dort oben stand, konnte ich einen Augenblick lang beinahe verstehen, warum mein Vater unbedingt Farmer sein wollte.
    Ich konnte kaum seinen alten Strohhut in der Ferne ausmachen, während er sich zwischen den Reihen voran-arbeitete. Ich sprang herunter und lief ihm entgegen. Da es schon leicht dämmerte, waren die Zwischenräume zwischen den Reihen sehr dunkel. Und da Sonne und Regen Hand in Hand gearbeitet hatten, waren die vielen Blätter dicht gewachsen und miteinander verwoben, sodass sie gegen mich schlugen, als ich eilig zu meinem Vater ging.
    »Bist du das, Luke?«, rief er wohl wissend, dass niemand sonst ihn holen würde.
    »Ja, Sir!«, antwortete ich und bewegte mich auf die Stimme zu.
    »Mom sagt, dass es Zeit ist, aufzuhören!«
    »Sagt sie das?«
    »Ja, Sir.« Ich hatte ihn um eine Reihe verfehlt und zwängte mich zwischen zwei Sträuchern hindurch, und da war er, vornübergebeugt, pflückte mit beiden Händen die Baumwolle und stopfte sie in den fast vollen Sack über seiner Schulter. Seit Sonnenaufgang war er auf den Feldern, nur zu Mittag hatte er eine Pause gemacht.
    »Habt ihr Hilfe gefunden?«, fragte er, ohne mich anzusehen.
    »Ja, Sir«, sagte ich stolz. »Mexikaner und Leute aus den Bergen.«
    »Wie viele Mexikaner?«
    »Zehn«, sagte ich, als hätte ich sie persönlich zusam-mengetrommelt.
    »Das ist gut. Wer sind die Leute aus den Bergen?«
    »Die Spruills. Hab vergessen, woher sie kommen.«
    »Wie viele?« Er pflückte einen Strauch zu Ende, kroch weiter und zog den schweren Sack hinter sich her.

    »Eine ganze Ladung. Schwer zu sagen. Gran ist wütend, weil sie vor dem Haus kampieren, und wo das Schlagmal ist, haben sie ein Feuer gemacht. Pappy hat ihnen gesagt, sie sollen neben dem Silo kampieren. Ich hab’s selbst gehört. Ich glaub nicht, dass sie sehr gescheit sind.«
    »Sag so was nicht.«
    »Ja, Sir. Jedenfalls hat Gran sich geärgert.«
    »Sie wird sich wieder beruhigen. Wir brauchen die Leute.«
    »Ja, Sir. Das hat Pappy auch gesagt. Aber mir gefällt nicht, dass sie das Schlagmal kaputtgemacht haben.«
    »Zurzeit ist Baumwolle pflücken wichtiger als Baseball.«
    »Wahrscheinlich.« Das meinte auch nur er.
    »Wie geht es den Mexikanern?«
    »Nicht besonders. Sie haben sie wieder auf einen Lastwagen gepfercht, und darüber ist Mom nicht gerade glücklich.«
    Seine Hände hielten einen Augenblick inne, als er an einen weiteren Winter voller Kabbeleien dachte. »Sie sind froh, hier zu sein«, sagte er dann, und seine Hände nahmen erneut die Arbeit auf.
    Ich ging ein paar Schritte auf den Anhänger in der Ferne zu, dann drehte ich mich wieder zu ihm um. »Erzähl das Mom.«
    Er warf mir einen Blick zu, dann fragte er: »Ist Juan gekommen?«
    »Nein, Sir.«
    »Das tut mir Leid.«
    Seit einem Jahr redete ich von Juan. Letzten Herbst hatte er mir versprochen, wieder zu kommen. »Ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Der Neue heißt Miguel. Er ist wirklich nett.«
    Ich

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