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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Der obere Teil zog sich fest zusammen, ein vollkommener, auf den Kopf gestellter Kegel, der sich in einer wilden Spirale drehte.
    Hinter uns fiel die Fliegengittertür zu. Meine Mutter und Gran standen auf der Treppe und wischten sich die Hände an Geschirrtüchern ab.
    »Zieht zur Stadt«, sagte Pappy mit großer Autorität, als könnte er das Verhalten von Tornados präzise voraussagen.
    »Glaub ich auch«, fügte mein Vater hinzu, der plötzlich ebenfalls zu einem Meteorologen geworden war.
    Die Spitze sank immer tiefer und hüpfte nicht länger. Es schien, als hätte sie irgendwo weit weg den Boden berührt, weil wir ihr Ende nicht länger sahen.
    Die Kirche, die Entkörnungsanlage, das Kino, der Lebensmittelladen von Pop und Pearl - ich wog den Schaden ab, als der Tornado plötzlich nach oben schoss und völlig zu verschwinden schien.

    Doch dann dröhnte es auf einmal in unserem Rücken. Jenseits der Straße, mitten auf der Farm der Jeters war ein weiterer Tornado angekommen. Er hatte sich angeschlichen, während wir den ersten beobachteten. Er war ein, zwei Meilen entfernt und schien direkt zu unserem Haus zu ziehen. Wir sahen entsetzt zu, einen Augenblick lang unfähig, etwas zu unternehmen.
    »In die Scheune!«, rief Pappy. Ein paar Spruills liefen bereits zu ihrem Lager, als ob sie in einem Zelt sicher wären. »Hier rüber!«, schrie Mr Spruill und zeigte auf die Scheune. Plötzlich schrieen und zeigten und rannten alle. Mein Vater fasste mich bei der Hand, und schon liefen wir los. Die Erde bebte, und der Wind brüllte. Die Mexikaner stürzten in alle Richtungen; die einen hielten es für das Beste, auf den Feldern Zuflucht zu suchen, andere liefen zu unserem Haus, bis sie sahen, dass wir zur Scheune rannten. Hank stürmte mit Trot auf dem Rücken an uns vorbei. Auch Tally überholte uns.
    Bevor wir es bis zur Scheune schafften, löste sich der Twister vom Boden und erhob sich rasch in den Himmel. Pappy blieb stehen und sah zu, alle anderen taten es ihm nach. Der Tornado zog östlich an unserer Farm vorbei, und anstatt uns frontal anzugreifen, bescherte er uns nur dicke braune Regentropfen und ein paar Schlammbrocken. Wir beobachteten, wie er in der Luft herumhüpfte und nach einer anderen Stelle suchte, um zuzuschlagen, genau wie der erste. Ein paar Minuten lang waren wir zu verdattert und zu erschrocken, um viel zu sagen.
    Ich betrachtete die Wolken in allen Richtungen, entschlossen, mich nicht wieder kalt erwischen zu lassen. Ich war nicht der Einzige, der sich gründlich umsah.
    Es begann erneut zu regnen, und wir gingen ins Haus.

    * * *
Das Gewitter wütete zwei Stunden lang und griff uns mit nahezu allem an, was das Arsenal der Natur aufzuweisen hatte: Sturmböen und prasselnde Regenschauer, Tornados, Hagel und so nahe und grelle Blitze, dass wir uns bisweilen unter unseren Betten versteckten. Die Spruills suchten in unserem Wohnzimmer Zuflucht, während wir uns im Rest des Hauses verkrochen. Meine Mutter ließ mich nicht aus ihrer Nähe. Sie hatte entsetzliche Angst vor Gewittern, und das machte alles noch schlimmer.
    Ich war nicht sicher, wie wir sterben würden - vom Wind mitgerissen oder vom Blitz getroffen oder vom Wasser fortgeschwemmt -, aber es lag auf der Hand, dass das Ende gekommen war. Mein Vater schlief die meiste Zeit, und seine Gleichgültigkeit war mir ein großer Trost. Er hatte in Schützengräben gelegen und die Deutschen hatten auf ihn geschossen, ihn erschreckte nichts mehr. Wir lagen zu dritt auf dem Boden im Schlafzimmer meiner Eltern - mein Vater schnarchte, meine Mutter betete, und ich horchte zwischen ihnen auf die Geräusche des Gewitters. Ich dachte an Noah und die vierzig Tage Regen und wartete darauf, dass sich unser Haus von der Erde löste und davonschwamm.
    Als Regen und Wind schließlich aufhörten, gingen wir hinaus, um die Schäden zu besichtigen. Abgesehen davon, dass die Baumwolle nass war, war überraschend wenig passiert - ein paar Äste waren abgebrochen, die üblichen Rinnen waren ausgewaschen und ein paar Tomatenpflanzen im Gemüsegarten entwurzelt worden. Die Baumwolle wäre am nächsten Morgen wieder trocken und könnte gepflückt werden.
    Während des späten Mittagessens sagte Pappy: »Glaub, ich schau mir besser mal die Entkörnungsanlage an.« Wir wollten unbedingt in die Stadt. Was, wenn der Tornado sie dem Erboden gleichgemacht hätte?
    »Ich möchte die Kirche sehen«, sagte Gran.
    »Ich auch«, sagte ich.

    »Warum willst du die Kirche sehen?«,

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