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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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Domschweizer die Identität des Toten mit dem Dragoner vom
Samstagabend hatte bestätigen lassen. Panezza und Jeanmarie hatten gleichfalls
zu Protokoll gegeben, daß sie in dem Toten den, wenn auch etwas veränderten,
Ferdinand Bäumler wiedererkennen könnten, der vor einigen Jahren, aus Angst vor
Bestrafung wegen eines unbedeutenden Delikts, zur Fremdenlegion durchgebrannt
war.
    Die Tür zur Leichenhalle hatte sich
lautlos geschlossen. »Wir schreiten jetzt«, sagte Dr. Merzbecher, »zum zweiten
Teil der Untersuchung.« Damit übergab er dem Gerichtsdiener einen flachen
Schlüssel. »Die Objekte, bitte schön«, sagte er.
    Der uniformierte Mann ging mit dem
Schlüssel zu einem in der Seitenwand eingelassenen Schrank, den er unter
Anwendung einer Geheimzahl öffnete. Man sah in dem Schrank an Bügeln aufgehängt
einen zimmetbraunen Anzug und eine Dragoneruniform. Der Diener nahm einige in
Tuch gewickelte Gegenstände heraus und legte sie dann vor dem Kriminalrat auf
den Tisch.
    »Ich rufe«, sagte der, »Frau Helene
Guttier.«
    Die Madame erhob sich mit einer für ihr
Gewicht erstaunlichen Lebhaftigkeit. Mit schwanenhafter Grandezza rauschte sie
dem Podium zu und begann schon im Gehen zu sprechen: »Wie ich am Samstagabend
gehört habe, daß da droben ein Mann betrunken war, und wie ich die Treppe
raufkam und die Tür aufmachte — «
    »Wollen Sie hier bitte«, unterbrach sie
der Oberstaatsanwalt, »nur die Fragen beantworten, die Ihnen vorgelegt werden,
Frau Guttier.«
    »Güttjeh«, sagte die Madame mit einem
empörten Schnauben.
    »Sie sind«, begann Merzbecher, »die
Wirtin des Hauses Kappelhof Nr. 14.«
    »Pächterin«, sagte Frau Guttier.
    »Sie haben am Samstagabend durch
Telefonanruf die Polizei verständigt, daß sich in Ihrem Haus ein Mann befinde,
den Sie für einen Verbrecher hielten. Was hat Sie zu dieser Auffassung
gebracht?«
    »Als ich die Treppe raufkam und die Tür
aufmachte«, fing sie wieder an, »sah ich natürlich gleich, daß der Mensch
sinnlos betrunken war. So etwas kann ich in meinem Etablissement nicht dulden.
Sie müssen wissen, daß bei mir eine distinguierte Kundschaft verkehrt, ich habe
Gäste aus den ersten Kreisen der Stadt, denen ich nicht zumuten kann —«
    »Gewiß, gewiß«, sagte Merzbecher, »aber
wir haben die ganze Geschichte schon im Protokoll. Was ich von Ihnen jetzt
wissen möchte, ist nur das: welche präzisen Gründe haben Sie veranlaßt, den
Mann für einen Verbrecher zu halten? Betrunken zu sein istja schließlich noch kein
Verbrechen.«
    Wieder ließ Madame Guttier ein empörtes
Schnauben heraus. Man merkte, wie schwer es ihr fiel, sich die Erzählung ihrer
Geschichte zu verkneifen. Der Mann habe, sagte sie dann in beleidigtem Tonfall,
verdächtige Reden geführt, aber das wisse das Gericht ja schon. Dann habe er
mit gebündelten Banknoten um sich geworfen — sie habe gesehen, daß es hohe
Geldscheine in einer fremden Währung waren — , die er nicht in einer
Brieftasche, sondern in seinem Rockfutter eingenäht trug. So was tue kein Mensch,
der sein Geld auf ehrliche Weise verdiene. Zum Schluß aber sei ihm eine Pistole
aus der Hosentasche gefallen. Das sei ihr dann doch zu viel gewesen. Sie habe
geglaubt, mit ihrem Anruf der Polizei einen Dienst erwiesen zu haben.
    »Gewiß, gewiß«, sagte Merzbecher, dabei
enthüllte er vorsichtig einen der eingewickelten Gegenstände und hielt ihn mit
dem Zipfel des Tuchs in die Höhe. »War das die Pistole? « fragte er die Madame.
    »Ganz sicher«, sagte Frau Guttier, »die
ist ja unverkennbar.«
    »Allerdings«, sagte Merzbecher, zu den
anderen Herren gewandt, »es ist ein sehr seltenes Stück, wie man es kaum bei
gewöhnlichen Verbrechern findet, man könnte sagen, eher eine Damenpistole. Auf
dem Kolben ist, unter allerlei ziselierten Arabesken, ein M eingraviert, ich möchte
hier einfügen, daß wir in einem andren Teil des Rockfutters ein kostbares
Schmuckstück gefunden haben, das in der Mitte, in diamantengefaßten Rubinen,
ebenfalls ein großes M trägt. Weiterhin ist auf dem silbernen Handgriff der
Waffe, mit der Ferdinand Bäumler ermordet wurde, das gleiche, in der gleichen
Schrift eingravierte M zu sehn. Das ist wohl kaum mit Zufall zu erklären und
dürfte für die Aufhellung der Zusammenhänge von Bedeutung sein. Möchten Sie
etwas sagen«, fragte er Jeanmarie, der sich nervös geräuspert hatte.
    »Nein«, antwortete der, er habe nur ein
Husten unterdrückt.
    Dr. Merzbecher wandte sich wieder an
Madame Guttier.

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