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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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den
Bruder des Ermordeten. Haben Sie irgendeinen — Grund, oder Beweis — für Ihre
Anklage?«
    Die Bäumlern saß still und sprach jetzt
mit ihrer gewöhnlichen Stimme, leise, doch in festem Tonfall und mit einem fast
verächtlichen Ausdruck. »Der kann ja nicht schwören«, sagte sie. »Der hat
keinen Schwurfinger. Der ist schon so auf die Welt gekommen.«
    »Sonst«, sagte Merzbecher, und fuhr
sich mit seinem Taschentuch über die feucht gewordene Stirn, »sonst haben Sie
nichts gegen ihn vorzubringen?«
    »Der kann ja nicht schwören«, sagte die
Bäumlern wieder, mit einer dumpfen Störrigkeit, »führt ihn doch da hinein, zu
meinem Ferdinand, dann fangen seine Wunden an zu bluten.«
    Der Verhaftete hatte aufgehört zu
wanken, er sagte nichts, schaute nur immer zu der Bäumlern hin, während Tränen
lautlos über sein Gesicht liefen.
    »Es handelt sich hier offenbar«,
knarrte die Holzstimme des Oberstaatsanwalts, »um völlig unsachliche, um nicht
zu sagen hysterische Äußerungen, die uns nicht weiterbringen. Ich ordne an, die
Frau zu entfernen, da sie den sachgemäßen Ablauf der Untersuchung stört.« Dabei
gab er den Polizisten einen Wink, die zögernd auf sie zutraten. Sie aber
klammerte sich mit beiden Händen und einem bösen, verstockten Wutausdruck im
Gesicht an ihren Stuhl.
    »Ich bitte den Herrn Oberstaatsanwalt«,
sagte Dr. Merzbecher sehr eindringlich, »diese Anordnung zurücknehmen zu
wollen, es ist durchaus möglich, daß wir die Aussagen der Frau Bäumler noch
brauchen, wie immer auch ihr Wert einzuschätzen ist, und ich glaube, sie dürfte
sich jetzt ruhig verhalten.«
    Der Oberstaatsanwalt zuckte die
Schultern und machte eine ärgerliche nachgebende Handbewegung, woraufhin die
Polizisten sich erleichtert wieder zurückzogen.
    »Seien Sie überzeugt, Frau Bäumler«,
sagte der Kriminalrat, »daß hier alles genau untersucht und der Gerechtigkeit
Genüge geschehen wird. Wenn wir etwas von Ihnen wissen möchten, werden wir Sie
dann aufrufen.«
    Die Bäumlern nahm ihre Hände vom Stuhl
weg und legte sie in ihren Schoß, ihr böser Blick haftete unverwandt auf dem
Gesicht des immer noch lautlos weinenden Mannes.
    »Ich bitte jetzt«, hob Merzbecher nach
einem schweren Atemzug wieder an, »die Herren vom sechsten Dragoner-Regiment,
Herrn Rittmeister Graf Riedesel in Vertretung des Kommandeurs, Herrn Leutnant
Panezza als Führer des ersten Zugs der dritten Schwadron, und den in der
dritten Schwadron geschäftsführenden Wachtmeister Gensert, sich den Verhafteten
genau anzuschaun und zu erklären, ob er ihnen bekannt ist.«
    Die Aufgerufenen hatten sich erhoben
und waren ein wenig nach vorne getreten.
    »Als Regimentsadjutant«, begann der
Rittmeister, »kenne ich natürlich nicht alle bei der Truppe stehenden Leute
persönlich. Aber ich bin ziemlich sicher, daß es sich hier um einen bei der
dritten Schwadron dienenden Dragoner handelt, an dessen Gesicht ich mich von
Löhnungsappellen, Paraden und Regimentsübungen her ganz gut erinnern kann.«
    »Danke, Herr Rittmeister«, sagte
Merzbecher und wandte sich an Jeanmarie.
    »Ich kann mit absoluter Sicherheit
bezeugen«, sagte dieser rasch und mit einem mitleidigen, fast liebevollen Blick
in die Augen des Vorgeführten, »daß es sich um den Dragoner Clemens Bäumler
handelt, der bei mir im ersten Zug der dritten Schwadron steht. Ich kenne ihn
außerdem von Kind auf und möchte sagen...«
    »Danke, Herr Leutnant«, unterbrach
Merzbecher, »ich werde Sie dann um nähere Auskünfte bitten. Wachtmeister Gensert«,
fuhr er fort, »kennen Sie den Mann?«
    Der Wachtmeister klappte die Hacken
zusammen, daß die Absätze knallten und die Sporen klirrten. »Jawohl, Herr
Kriminalrat«, sagte er laut, »es ist der Dragoner Bäumler, seit zweieinhalb
Jahren aktiv in der dritten Schwadron. Der Mann ist in seiner ganzen Dienstzeit
nicht ein einziges Mal aufgefallen.«
    Clemens Bäumler errötete bei diesem
Lob, dem höchsten, das in den Kategorien des Kasernenhofs gespendet werden
konnte. Seine Tränen waren versiegt, sein Gesicht hatte sich seit der
Konfrontation mit seinen militärischen Vorgesetzten beruhigt und gefestigt.
»Ich danke Ihnen, Herr Wachtmeister«, sagte Merzbecher. »Nun möchte ich den
Herren noch die Frage vorlegen, ob ihnen an dem Mann irgendwelche besonderen
Kennzeichen aufgefallen sind, die ihn im Zweifelsfall einwandfrei als den
besagten Clemens Bäumler identifizieren würden.«
    »Jawohl«, antwortete der Wachtmeister
prompt, »rechter

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