Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Beharrungsgesetzes, dem ihr schwerer Körper jetzt unbedingt Folge leisten mußte, wieder mit sich zurück und eine ganze Strecke in den offenen Hof hinaus.
»Herr Karl – Herr Schmidt – Herr – ach, Herr Jemine, mir ist vor Aufregung die Lunge übergeschnappt und die Luftröhre und alles Andre dazu. Ach, Herr Schmidt, warten Sie nur, bis ich das Bischen Athem wiederhabe, denn ich muß Ihnen Etwas erzählen, was mir soeben passirt ist, widerfahren ist, arrivirt ist, jetzt eben, mir, mir, der Wirthschafterin, etwas so Fürchterliches, so Schreckliches, so – – –«
»Aber bitte meine liebe Mademoiselle,« unterbrach er den Fluß ihrer Rede, welcher sich trotz alles Luftmangels sonst in das Unendliche ergossen hätte, »lassen Sie mich doch zunächst und vor allen Dingen meine Pfeife suchen, die Sie mir mit einer so gewaltigen Prime aus dem Munde geschlagen haben, daß mir alle zweiunddreißig Zähne wackeln!«
»Ich bedaure, ich bedaure sehr, mein lieber Herr Karl! Ich weiß, was eine Pfeife zu bedeuten hat, zumal bei einem Dichter wie Sie; aber die Primadonna geschah wirklich nicht mit meinem Willen! Dort liegt sie; ich werde – nein, nein, nein, erlauben Sie!«
Er ließ es ruhig geschehen, daß sie selbst zurückkehrte und die liebe Lange wiederbrachte. Der Tabak war herausgefallen, der Kopf und Stiefel aber noch ganz. Er langte den Beutel hervor und begann zu stopfen.
»Nun bitte, Mademoiselle Adeline, erzählen Sie mir doch, was für Schrecklichkeiten Ihnen zugestoßen sind.«
»Ach nein, hier nicht! Kommen Sie!«
Sie faßte ihn beim Arme, zog ihn zum Stalle und öffnete die Thür desselben.
»Sehen Sie: dort liegt sie!«
»Dort liegt sie? Wer denn? Alle Wetter, die heilige Angora! Weib, was hast Du gethan, daß diese kostbare asiatische Reliquie den Weg aller Ziegen hat gehen müssen!«
»Gethan? Gar nichts hab ich gethan! Sie selbst hat sich erhängt!«
»Erhängt? Mit einem Stricke aus diesem Dasein hinausgewürgt? Unglückselige, gab es denn keinen andern Tod für die Milchquelle eines fürstlichen Kaffeetrinkers!«
»Nein, keinen andern! Sie hat sich den Hanf selbst um den Hals gedreht.«
»Ein Selbstmord! Und jedenfalls in dunkler Mitternacht! Es mehrt sich der Stoff zu einem finstern Trauerspiel. Wie mag da Zeus gedonnert haben!«
»Zeus? Ach nein, der ist gar nicht hier gewesen; aber der Alte, ach, der Alte! Ich gab ihm Kuhmilch, weil ich keine andere hatte, und –«
»So einen Gedanken konnte nur die reine Verzweiflung eingeben! Lieber schwarz als von der Kuh – ich kenne unsern Helden! Und dann?«
»Dann schickte er den Heinz, den boshaften Menschen; der mußte mich zu ihm schleppen, und ich sollte gar meine Entlassung bekommen. Aber sie besannen sich anders und – – –«
»Nun, und?«
»Ja, und! Ich schäme mich zu Tode, es zu sagen.«
»Zu Tode? Nein, es ist an Einer genug! Erhalten Sie sich uns noch länger, Mademoiselle Adeline, und sprechen Sie also nicht weiter über diesen herzbrechenden Gegenstand!«
»Und doch muß ich weiter davon sprechen, da ich mir Ihren guten Rath erbitten möchte.«
»Den sollen Sie haben, obgleich ich noch nie bei dem Ableben einer Ziege als handelnde Person betheiligt gewesen bin. Also?!«
»Ich soll in eigener Person – – –«
»In eigener Person – –?«
»Nach Neudorf gehen und – – –«
»Neudorf gehen und – –?«
»Beim Schulzen dort eine andre – – –«
»Schulzen dort eine andre – –? Nun, was denn?«
»Eine andre Ziege holen!«
»Eine andre Ziege holen? In Neudorf, beim Schulzen? Sie selbst – in eigener Person? Also zur Strafe jedenfalls, daß Sie die Angora angehängt haben! Hahahaha! O, ich kenne den Alten, und das sieht ihm so ähnlich, daß ich meine, dabei gestanden zu haben, als er dieses fürchterliche Urtheil sprach! Mamsell Adeline soll höchst eigenhändig in Neudorf eine andre Ziege holen! Hahahaha!«
Er lachte, daß ihm die Pfeife ausging. Es war gar nicht anders möglich: er mußte an das Feingefühl der Wirthschafterin denken, welches hierbei auf eine so fürchterliche Weise beleidigt wurde, und malte sich dabei in Gedanken das Bild aus, welches ihre Gestalt, mit der Ziege am Stricke hinter sich her, geben mußte.
»O bitte, lachen Sie nicht, mein bester Herr Schmidt, sondern geben Sie mir einen guten Rath, wie es mir möglich ist, dieser unbarmherzigen Strafe zu entgehen!«
»Einen Rath? Der wird nun allerdings hier schwer zu geben sein, denn was der Prinz einmal befohlen haben,
Weitere Kostenlose Bücher