Die Fastnachtsnarren. Humoresken
wieder ganz verteufelt nach Oppedeldoc, und zur Thüre ‘naus konnte ich doch nich, weil ich da dem alten Isegrimm gradezu in die Hände gelofen wäre, und in der Stube gabs wahrhaftig keenen Platz niche, wo ich een einigermaßen standesgemäßes Unterkommen hätte finden können.«
»Steck dich da in den Seegerkasten, Fritz!« rief meine Hypothenuse in der größten Angst; denn draußen knarrten schon die Treppenstufen, und die ehrwürdigen Großeltern der Stadt konnten jeden Oogenblick in unser fürchterliches Dasein hineinplatzen.
»Nun müßt Ihr nämlich wissen, daß in der Stube so een uraltes Erbstück von Schwarzwälder Kukuksuhr hing, und der Gewichtskasten, der unter ihr an der Wand lehnte, schien grad hoch genug und hatte ooch so ziemlich die nothwendige Breite, mich dahinter zu verstecken. Rasch und ohne mich erst lange zu besinnen, zog ich ihn weg, lehnte mich so dicht wie möglich an die alte Tapete und ließ ihn von der Meinigen wieder ‘ran schieben. Und kaum war das geschehen, so ging die Stube off und die Herrschaft rauschte in die Stube.«
»Christel, Du kannst zu Bette gehen!« flötete die gnädige Frau, und wenn die obrigkeitliche »Sie« anfing zu flöten, dann war stets een eheliches Gewitter im Anzuge, das wußte die ganze Stadt. Und dieses Wetter brach denn ooch, sobald die beeden Leute alleene waren, sofort los.
»Wie kannst Du dich nur in einen solchen Skandal mit dem pfennichfuchserigen Apotheker einlassen! Ich wollte mich heut Abend einmal so recht gründlich amüsiren, und nun ist mir die ganze Freude in den Brunnen gefallen.«
»Mir ooch!« dachte ich im Stillen. »Die Christel im Bette und ich im Seegerkasten; da bin ich neugierig, wo eegentlich das Amüsement herkommen soll!«
»Konnte ich anders?« fragte Lautenschläger. »Er griff mich bei der Ambition an und da mußte ich mich meiner Haut wehren.«
»Ist Dir Recht geschehen,« dachte ich, »hast mich nach meiner Ambition ooch nich gefragt, und was meine Haut betrifft, so habe ich sie nich ‘mal vertheidigen können, sondern sie hinterher noch einreiben müssen!«
»Wie viel bist du ihm denn schuldig? Du mußt doch schrecklich schlecht wirthschaften!«
»Wenn Du wissen willst, wessen Wirtschaft mich zu Grunde richtet, so guck nur in deinen Kleiderschrank!«
»Guckt wohin ihr wollt,« dachte ich; »nur nich unter das Kanapee und in den Seegerkasten!«
»Wie viel es ist, will ich wissen!«
»Sapperlot,« dachte ich, »wenn die Christel mir ‘mal in so ‘nem Tone käme, die wollte ich aber anfagotten!«
»Ein Wechsel auf lumpige acht hundert Thaler ist’s; ich habe schon einige Male um Nachsicht gebeten; er aber will nicht mehr prolongiren und die Sache jetzt gar der Justiz übergeben.«
»Da steckst Du ja in einer ganz famosen Patsche! Stadtrichter und Sitzen!«
»Na,« dachte ich, »er kann sich mit mir trösten. Meine Patsche ist nicht weniger famos als die Seinige, und ich wäre froh, wenn ich een Bischen sitzen könnte!«
»So ging es eene Weile in immer lauterem Tone und immer steigender Heftigkeit fort. Die Madame hatte ihren Mops, der mit in der Kaffeegesellschaft gewesen war, offs Kanapee gesetzt, und nun weeß ich nich, hat er gerochen, daß so een plebejischer Leinewebergeselle seinen Stammplatz verschimpfiret hat oder es in seinem unglückseligen Gehirne eene Ahnung von dem zweekannigen Soupirtoppe offgegangen, kurz und gut, er batalgt sich trotz seines dicken Leibes und seiner kurzen Beene vom Kissen runter unter das Sopha hinein und fängt da unten eenen Karambol an, als hätte er een halbes Schock Rattennester offgestöbert.«
»Die Gnädige mochte so een über alle Maßen lebhaftes Temperament bei ihrem Liebling noch gar nicht bemerkt haben; sie bückte sich nieder, um die Sache zu untersuchen und brachte denn ooch glücklich die ganze Prosit die Mahlzeit zum Vorschein, nämlich den Mops beim Schwanze und den Topp beim Henkel. Was nun die beeden Toppgucker für Gesichter geschnitten haben, das kann ich nich beschreiben, weil ich es nicht sehen konnte; aber wie es mir dabei zu Muthe geworden is, das könnte ich wohl sagen, aber – Tacet, Tacet!«
»Christel, komm ‘mal rasch herunter!« kommandirte endlich die Madame zur Stubenthür hinaus, und een Donnerwetter is nischt, reenweg nischt niche gegen den Mordspectakel, der itzt losbrach. Mir wurde es so schwindlich, als ob ich off der Wetterfahne droben off’m Kirchthum säße, und ich mußte alle Anstrengung offwenden, um meine glückliche
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