Die Fastnachtsnarren. Humoresken
leucht ich mit der Laterne an!«
Der so schnell inprovisirte Knüttelvers schien das Wohlgefallen der Zuhörerschaft erlangt zu haben, denn bald öffnete sich die Hausthür und eine Stimme rief:
»Na, komm ‘rein, alter Bänkelsänger; wirst ein Gläschen vertragen können bei dem Wetter heut!«
Bachmann schüttelte den Schnee von sich und trat in die Stube. Hier wurde seinem dichterischen Talente die lebhafteste Bewunderung gezollt; er bekam den wohlverdienten Kuchen, und man trank ihm von allen Seiten so fleißig zu, daß es ihm schließlich Angst wurde und er die Flucht ergreifen mußte.
»Verteufeltes Volk!« brummte er, wieder auf der Straße angekommen; »die hatten es darauf abgesehen, daß ich einen ›Spitz‹ bekommen soll. Ich glaube, ich habe die Terrine ganz allein ausgetrunken. Na, das wäre eine schöne Geschichte; so ‘was soll mir nicht passiren!«
Es war ihm jetzt auf einmal so warm, so eigenthümlich wohl und leicht im Magen und unter der Pelzmütze; die Beine hatten eine ganz andere Spannkraft bekommen, drum ging es auch rasch vorwärts; das Duten war ihm eine wahre Plaisir, und ehe er sichs versah, stand er auf dem Marktplatze vor dem Rathhause.
Hier sang er immer seine besten und schönsten Verse, denn drin saßen rund um den Stammtisch die ehrwürdigen Vormünder der Stadt und hatten ihr Wohlgefallen an dem Gesange. Oft wurde er dann hineingerufen und bekam eine mündliche Belobigung und einen Extratrunk als practische Anerkennung.
So gings auch heut, und weil zweiter Feiertag war, so flossen die verführerischen Tropfen reichlicher und länger als sonst. Als er wieder ins Freie kam, schaute er sich höchst bedenklich um, denn er konnte gar nicht genau unterscheiden, ob es von oben nach unten schneie oder ob der Schnee von unten nach oben in die Höhe fahre.
»Na na na na!« machte er. »Ich glaube, der Schnee fällt heut ganz verkehrt!«
Kopfschüttelnd stolperte er in die nächste Straße hinein.
Dort lag der Gasthof zum »schwarzen Bären,« der Bahnhof für die Stellwagenlinie Ammerstadt-Wummershausen, und vor dem wegen des Schneewetters geschlossenen Thore stand der ehrwürdige Omnibus, dessen Pflichteifer sich die etwaigen Passagiere anzuvertrauen hatten.
»Hm, ich muß mich ein Bischen setzen. So kunterbunt ist mirs in meinem ganzen Leben noch nicht im Bauche gewesen. Das muß ich vorbei lassen, wenns nicht etwa gar die Cholera ist. Na, das wäre doch die reine Schlechtigkeit, mitten im Winter die Cholera, und noch dazu zum zweiten Weihnachtsfeiertage!«
Er suchte nach der steinernen Bank, welche an der einen Seite des Einganges stand, und auf der er manches kurze »Ständchen« gehalten hatte; aber sie war so überschneit, daß er sich bedenklich abwandte.
»Das geht nicht; da könnte ich mich schön erkälten und zu der Cholera noch einen Schnupfen kriegen, der sich gewaschen hat. ‘S ist schon Eins genug von den Beiden! Hm! Da steht der alte Rumpelkasten; der fährt um Elf Uhr fort, und jetzt ist es erst halb. Wie wärs, wenn ich mich ein paar Minuten hineinsetzte? Na, besser allemal als hier auf der Bank!«
Er öffnete, kurz entschlossen, die Thür und stieg hinein, zog die Thür hinter sich zu und schmiegte sich behaglich in die Ecke. Die genossenen Spirituosen äußerten jetzt ihre einschläfernde Wirkung, und nach wenigen Augenblicken war der Nachtwächter vom tiefsten Schlafe befallen.
Die Zeit hatte heut keine sonderliche Lust, auf den Schläfer zu warten; sie rückte von Minute zu Minute immer weiter vor, und kurze Zeit vor Elf öffnete sich das Thor des Gasthofes, um nebst Hausknecht und Kutscher die beiden Klepper hindurch zu lassen, welche auf der Linie Ammerstadt-Wummershausen die Stelle der Dampfkraft zu vertreten hatten.
»Pfui Teufel, ist das ein Heidenwetter,« fluchte der Hausknecht; »Du hast den Schnee wahrhaftig zwei Ellen hoch auf dem Bocke liegen!«
»Alberne Erfindung, so ein Omnibus!« raisonnirte der Kutscher. »Muß ich da nach Ammerstadt fahren, obgleich kein einziger Mensch drin in der Bude sitzt. Mach, daß Du fertig wirst. In der ›goldenen Ente‹ wird Einer draufgegossen. Hühü!«
Die Pferde zogen an, und das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung.
Der Schnee hatte sowohl die Schritte der beiden Männer als auch die Hufschläge der Thiere gedämpft, und da man in Anbetracht der herrlichen Schlittenbahn dem Stellwagen die Räder abgenommen und ein Paar Schlittenkufen untergeschraubt hatte, so geschah Alles mit einer solchen Ruhe und
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