Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Werner verstand diesen stummen Wunsch und holte das Verlangte nebst einem Glase herbei. Dabei fiel sein Auge auf das Bild, welches grad über dem Kopfe des schweigsamen Gastes hing und er war von der außerordentlichen Aehnlichkeit zwischen diesen Beiden so überrascht, daß er mitten im Gehen stehen blieb und die Flasche zu Boden fallen ließ. Der Unbekannte warf ihm einen scharfen, mißbilligenden Blick zu und hob wie warnend den Zeigefinger, an welchem mehrere gewiß sehr kostbare Ringe im Lichte der eben erst in Brand gesetzten Lampe blitzten. Werner hob die ganz gebliebene Thonflasche wieder vom Boden auf, entkorkte sie, schenkte ein und trat sodann mit einer Verbeugung zurück, welche so tief und ehrfurchtsvoll war, daß seine Stirn fast die Kante des Tisches berührte. Sodann trat er zu den Dorfleuten, welche inzwischen Platz genommen hatten und den Gast mit unverhohlener Wißbegierde betrachteten.
    »Moltke!!!«
    Nur dieses eine Wort raunte er ihnen zu, wobei er sich in Acht nahm, daß diese indiscrete Bemerkung am hintern Tische nicht gehört werde, aber sofort fuhren alle Köpfe in die Höhe und aller Augen suchten eilig nach dem Bilde, um dasselbe mit dem berühmten Originale zu vergleichen. Die Aehnlichkeit mußte nichts zu wünschen übrig lassen, denn die Köpfe senkten sich wieder und wurden mit so bedeutungsvollen Blicken zusammengesteckt, daß der Fremde gewiß aufmerksam geworden wäre, wenn ihn nicht etwas Anderes beschäftigt hätte. Er hatte nämlich den Ueberrock geöffnet und eine Anzahl Landkarten aus der Tasche gezogen, sie vor sich ausgebreitet und war nun in das Studium derselben so versenkt, daß er von der ihm gewidmeten Theilnahme nicht das mindeste bemerkte. Ebenso schien es ihm zu entgehen, daß ihm zwischen dem geöffneten Rocke eine Reihe blanker Knöpfe hervorfunkelte und ein reich betreßter Uniformkragen sichtbar wurde. Ohne nur ein einzigesmal von den Karten aufzublicken, war er eifrig beschäftigt, Notizen einzutragen, und wenn er ja einmal zum Glase griff, so war es nur, um die Lippen kurz zu netzen.
    »Der große Schweiger!!!« flüsterte der Wirth, der sich zu den Andern niedergelassen hatte. »Gar kein Zweifel! Das hätte der Redacteur von dem Limberger Tagblatte wissen sollen!«
    Die Andern nickten zustimmend. Es war in dem Raume wie in einer Kirche; eine heilige Scheu hatte Alle erfaßt, und Keiner wagte, ein lautes Wort zu sprechen. Da ertönte ein leises Klopfen; der Wirth schnellte in die Höhe und trat in devoter Haltung zu dem durchschauten Feldmarschall.
    Dieser näherte, ohne den Kopf von der Arbeit zu erheben, Daumen und Zeigefinger der linken Hand den bezeichnend gespitzten Lippen. Der kluge Wirth hatte ihn sofort verstanden, sprang nach einem in der Ecke befindlichen Brette und langte die werthvollste seiner Cigarrenkisten von demselben herab. Als er sie dem hohen Herrn präsentirte, stand dieser schon im Begriffe hineinzugreifen, zog aber die Hand wieder zurück und winkte gebieterisch nach der Thür. Es hatte sich das Rollen eines Wagens auf der Straße vernehmen lassen.
    Werner stellte die Cigarren auf den Tisch und eilte hinaus. Wieder erblickte er eine vierspännige Carrosse, und wieder stieg ein Herr aus, welcher auf die Thür zugeschritten kam, während der Wagen davonsauste.
    »Das ist der Ebersbacher Gasthof?« frug der Ankömmling mit einer Stimme, welcher man die Gewohnheit des Befehlens deutlich anhörte.
    »Aufzuwarten, mein Herr!«
    »Sind Sie der Wirth?«
    »Ich habe die Ehre!«
    »So heißen Sie Werner?«
    »Wenn Sie erlauben!«
    »Ist ein fremder Herr hier angekommen?«
    »Vor kurzer Zeit. Er befindet sich in der Stube, wenn es Ihnen beliebt, einzutreten!«
    Er riß die Thür so weit wie möglich auf.
    »Bitte, bemühen sich der Herr hier herein! Da hinten an – – –«
    Die angefangene Rede blieb ihm vor seligem Schreck im Munde stecken, denn er hatte im hellen Schein der Lampe einen Mann erkannt, dem es in Ebersbach ganz unmöglich war, incognito zu bleiben. Es trug derselbe auch einen Civilüberrock, auch seine Beine staken in einem Paar weit heraufgezogener Reitstiefel, auch seinen Kopf bedeckte eine buntrandige Soldatenmütze, und auch er besaß eine geradezu bewundernswerthe Aehnlichkeit, nämlich mit den vier Bildnissen des Reichskanzlers, welche an den Wänden hingen. Und wenn ja noch ein Zweifel möglich gewesen wäre, so mußte derselbe augenblicklich schwinden, als der Eingetretene sein Haupt entblößte, um den vorher Angekommenen

Weitere Kostenlose Bücher