Die Favoritin
übersetzen würde, obschon meine Gedanken sich doch zunehmend auf hoffärtige Ziele ausrichteten.
Anfangs hatten die Fremde, all unsere Verwunderung und die Furcht uns Gefährtinnen eng zusammengeschlossen. Als nun aber unsere Formen sich entwickelten und unsere Weiblichkeit sich bestätigte, setzten die Rivalitäten ein.
Wie wir wußten, würde am Ende der vier Jahre, die wir im Acllahuasi gehalten wurden, eine zweite Auslese in Cuzco stattfinden. Nur die Schönsten würden dem Inka gehören. Und natürlich hielt sich jede für die Schönste, und alle wollten wir dem Sohn der Sonne dienen.
Sein göttliches Bild begleitete uns auch bei unseren bescheidensten Arbeiten. Wenn wir webten, stellten wir uns das Glück vor, ihn als seine Dienerin zu schmücken; wenn wir die Chicha ansetzten, träumten wir, diejenige zu sein, die seinen Durst löschte; und kochten wir unter Anleitung der Mamacuna seine Lieblingsgerichte, sahen wir uns, wie wir ihm die Speisen darreichten und ängstlich nach dem Ausdruck seiner Befriedigung spähten, der unsere Mühen belohnte. Was allerdings die höchste Freude anlangte … Da wir nicht die geringste Vorstellung hatten, was der geheiligte Beischlaf sei (die Mamacunas wahrten über diesen Punkt Schweigen), versagten wir, wenn wir uns des Nachts in unseren Zellen den ausgefallensten Vermutungen hingaben.
Da die Mamacunas den Aufruhr unseres Blutes bemerkten, erinnerten sie uns unablässig daran, welchen Strafen wir uns aussetzten, falls wir der Versuchung in Gestalt der kräftigen jungen Männer, Träger, Wächter, Gärtner, Hirten, die mit uns die Abgeschiedenheit des Acllahuasi teilten, erliegen sollten … Arme Burschen! Sie hatten eine betörende Herde junger Mädchen in Reichweite ihrer zupackenden Hände und durften sie nicht einmal mit einem Blick berühren.
Dennoch geschah es, daß die Natur über die Furcht siegte. Während meines dritten Jahres ließ sich Gualca, ein reizendes Kind, das zum Entzücken Tamburin spielte, von einem Hirten verführen. Eine Dienerin überraschte sie' im Lamagehege und zeigte sie an. Wir alle, selbst die Kranken, die auf Befehl der Vorsteherin in Sänften zu der Stätte getragen wurden, wohnten der Hinrichtung bei.
Es war strahlendes Wetter, Vogelschwärme tummelten sich am Himmel, und bis heute habe ich den guten Geruch des Grases in den Nüstern, das die Gärtner geschnitten hatten, bevor sie die Grube aushoben. Gualcas Geliebter wurde vor ihren Augen gehenkt. Danach wurde sie lebendig begraben. Die Strafe war gerecht, dessen waren wir uns bewußt, aber das Brüllen der Unseligen hielt mich nächtelang wach, und mehr noch das entsetzliche Schweigen dann, als die Erde ihren Mund füllte.
Was mich betraf, so hatte ich zu sehr gekämpft und gelitten, um in das Acllahuasi zu kommen – mich hätte der verführerischste Mann nicht bewegt! Zumal meine Chancen gesichert schienen. Unsere Mamacuna, deren Strenge vor meinen Talenten als Weberin dahinschmolz, pflegte oft und gerne zu sagen, ich würde Amancay zum Ruhm gereichen.
Als jedoch das Datum unserer Abreise näherrückte, kehrten meine alten Ängste wieder. Durch harte Disziplin war mein Hinken unmerklich geworden, aber im Grunde meines Herzens wußte ich, daß ich betrog. Und täuschte man den lebendigen Gott?
In Cuzco trafen wir eine Woche vor der Sommersonnenwende ein, wenn das Intip Raymi gefeiert wurde, das Fest der Sonne.
Sofort wurden wir in das berühmte Acllahuasi der Stadt gebracht, zusammen mit den anderen Mädchen aus allen Teilen des Reiches. Wir erhielten strengstes Verbot, uns den Wohnungen der Sonnenjungfrauen zu nähern.
Um Euch vor dem Irrtum Eurer Landsleute zu bewahren, Pater Juan, mache ich Euch auf den großen Unterschied aufmerksam, der zwischen den Sonnenjungfrauen und der Kategorie bestand, der ich angehörte. Die Intip Accla oder erwählten Frauen der Sonne, um sie bei ihrem wahren Namen zu nennen, waren sämtlich von edlem Geblüt und lebten eingeschlossen bis zum Tod … Wenn ernste Ereignisse es erforderten, konnten keine Opfer die Götter besser besänftigen als diese fürstlichen Schönheiten.
In der Nacht vor dem Intip Raymi suchte ich vergeblich den Schlaf; und in großer Erregung stand ich auf. Der Tag war gekommen! Ein Wink des Inka würde mein Schicksal besiegeln. In Amancay hatte ich mir dies Schicksal ausgemalt wie einen Himmel in der Morgenröte. Jetzt erschien er mir düster verhangen und voll wirbelnder schwarzer Vögel.
Man gab uns Tuniken aus
Weitere Kostenlose Bücher