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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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über meine kindliche Eitelkeit hinaus, war ich mir jetzt bewußt, daß Schönheit mit den Augen des Verlangens gesehen wird, daß dies aber ein zerbrechliches Tonsäulchen ist. Ich wurde bald achtzehn. In dem Alter sind Frauen aus dem Volk bei uns schon für eine Familie verantwortlich, die Jugend liegt hinter ihnen. Und für eine Accla war ich erst recht ziemlich alt. Wie viele frische junge Knospen waren unterdes in den Acllahuasi erblüht!
    Wenn ich meine Position nicht festigte, würde der Blick des Inka sich bald einer anderen zuwenden. Aber wie sollte ich? Kann eine Frau etwas anderes sein als ein hübscher Körper, eine Entspannung? Kann sie mehr tun, als der Natur des Mannes zu schmeicheln? Ich gestehe, damals dachte ich: nein, und ich beschränkte mich, wie eigentlich wir alle, selbst auf die animalische Rolle, die uns die Gesellschaft zuweist. Zwei Arme, zwei Beine, ein Bauch, zur Fortpflanzung oder zum Vergnügen.
    Das Leben geht seltsame Wege. Ausgerechnet durch Rahua Ocllo kam ich darauf, Ansichten zu verwerfen, die seit Anbeginn der Welt dieselben sind.
    Allmählich ließen Huascars Großzügigkeit und die unübersehbaren Beweise seiner Gunst das allseitige Lächeln erstarren.
    Neuerdings forderte er, daß ich an allen hohen religiösen Festen teilnahm. In der Gruppe seiner Frauen wäre das kein Problem gewesen, doch ich thronte in derselben Reihe wie seine Mutter und seine Gemahlin und Schwester. Ein weniger auffälliger Platz wäre mir lieber gewesen. Huascar lehnte es ab. Er wollte seine Liebe vor aller Welt behaupten, und wer hätte sich dem widersetzt, auch wenn er die Tradition umstürzte: schließlich war er der Inka, der Gott!
    Die Verschönerungen, die er in meinen Gärten in Yucay ausführen ließ, erbitterten vollends die Gemüter.
    Beiläufig hatte ich einmal von der Pracht von Tumipampa gesprochen. Einige Wochen später überraschte mich zwischen den Kantuta und Orchideen ein goldenes Blütenmeer, goldene Früchte hingen an den Bäumen, und sogar die Grasbüschel, die in den Kehlen der Steinmauern sprossen, waren nun aus Gold. Dann bevölkerten seine Juweliere die Busch- und Baumgruppen mit Myriaden von Schmetterlingen und Kolibris, deren Flügel eingelegte Edelsteine zierten, und goldene Pumas, die Augäpfel aus Smaragd, hielten zusammen mit meinen Jaguars zwischen den Terrassen Wacht.
    Man sagte, Huascar sei geizig, mich aber verwöhnte er märchenhaft, mehr wahrscheinlich als es je der Favoritin eines Inka widerfuhr, obwohl ich darüber keine genaue Kenntnis habe.
    Meine Feinde wären indes baß erstaunt gewesen, hätten sie gewußt, daß ich trotz all seiner Großmut nicht zufrieden war. Das Leben ist hohl, wenn ihm kein tiefes Gefühl innewohnt, kein Daseinszweck. Man will alles, man bekommt es, aber das Eigentliche fehlt.
    Wenn der Inka mich nach Cuzco rief, ziemte es sich, auch der Coya Rahua Ocllo meinen Gruß zu entbieten.
    Sie hatte wie stets ihre Zwerginnen zu Füßen und einen glanzvollen Hof von Prinzessinnen von Geblüt und Konkubinen des Inka um sich.
    Rahua Ocllo legte mir dann sogleich eine Arbeit in die Hände und umschmeichelte mich. Das tat sie vor allem, um mich einzukreisen, den verletzlichen Punkt an mir zu finden, um ihre Schleuder abzuschießen. Aus meinem goldgefaßten Schädel zu trinken hätte sie entzückt … Oh, ja, Pater Juan! Zu jener Zeit hatten Eure Landsleute uns noch nicht gelehrt, daß es elegant und zivilisiert ist, denjenigen zu beweinen, den man soeben erschlagen hat. Bei uns gestattete man sich noch solche ausgelassenen Triumphe über tote Feinde! Da Rahua Ocllo unter den gegebenen Umständen auf derlei jedoch verzichten mußte, suchte sie mich auf andere Art zu vernichten: sie schraubte die Unterhaltung auf ein Niveau hoch, dem ich nicht gewachsen war.
    Mittendrin hielt sie inne und richtete ihren Blick auf mich wie einen Essigstrahl.
    »Was ist, Asarpay, bleib nicht stumm, sag deine Meinung!«
    Und dann lachte sie. »Seht euch die Dummheit an! Allerdings, Asarpay, entschuldigt dich deine Herkunft. Ein Kind der Felder hat nichts im Kopf. Das fressen alles die Läuse.«
    Ein andermal gab sie sich mitleidig.
    »Du siehst abgespannt aus, Asarpay. Das viele Dienen bekommt dir nicht, und kein Inka speist aus einem abgenutzten Napf.«
    Und noch anderes sagte sie, das aber der Anstand mir verbietet wiederzugeben.
    Gedemütigt verließ ich Cuzco, sann, gelb vor Zorn, auf unmögliche Erwiderungen … und begann zu ermessen, wie arm man bei allem Reichtum

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