Die Favoritin
Konkubinen, die Prinzessinnen seiner Linie alle in einem großen Saal versammelt, wo zur Regenzeit Feste, Lustbarkeiten und Tänze stattfanden. Es mochten gut zweitausend Frauen sein. Ich wollte mich bescheiden zu den Acllas gesellen, aber Rahua Ocllo rief mich zu sich.
»Gut, daß du gekommen bist«, sagte sie.
Seit die Amauta mich gebildet hatten, erwies sie mir eine gewisse Achtung.
»Gibt es Nachrichten vom Inka?« fragte ich.
»Nein, nichts. Und was sind wir ohne meinen Sohn!« Rahua Ocllo rang die Hände. Ihre hoheitsvolle Haltung, ihre Anmut, die bis dahin ihr Fleisch gestrafft hatten, waren zerronnen. Sie war eine alte Frau mit eingefallenem Gesicht.
»Was ist zur Verteidigung Cuzcos geplant?« fragte ich wieder.
»Was können Frauen, Kinder und Greise ausrichten? Nur die Götter wissen, was Atahuallpa für uns bereithält. Bete, Kind. Es ist unsere einzige Rettung.«
Ich erlaubte mir zu bemerken, daß es doch besser wäre, die Tausende männlicher Diener zu bewaffnen, und sei es nur mit Schleudern, als tatenlos ein ungewisses Schicksal abzuwarten.
Die Idee wurde verworfen.
»Widerstand gäbe Anlaß zu Repressalien«, sagte Rahua Ocllo. »Atahuallpa ist zwar ein Schurke, ein stinkendes Tier, aber er wird die Frauen des Inka und seiner Verwandtschaft nicht anzutasten wagen … Muß ihm nicht daran gelegen sein, daß sie unberührt bleiben?«
Die letzte Überlegung, die uns, wenigstens den Jüngsten, die Aussicht eröffnete, bald das Lager des Siegers oder seiner Nächsten zu teilen, hatte nichts Erbauliches.
So warteten wir denn aneinandergekauert auf den kommenden Tag, und das Schluchzen der einen nährte das stumme Entsetzen der anderen. Dienerinnen brachten zu essen. Wir schickten sie weg.
Morgens erschien auf dem Gipfel, der die Terrassen des Collcampata überragt, die Vorhut von Quizquiz und Chalicuchima, der großen Feldherren Huayna Capacs, die nun vereint unter dem Banner Atahuallpas marschierten.
Plätze und Gassen leerten sich vollends. Die Dienerinnen rannten schreiend und sich die Wangen zerkratzend durch den Palast, als wären die Soldaten schon im Begriff, sie zu vergewaltigen: wohl war derlei bei uns nicht üblich, doch mußte man in einem Bruderkrieg, in dem nicht einmal die Göttlichkeit des Inka respektiert wurde, nicht der schlimmsten Erniedrigungen gewärtig sein?
Der Feind aber begnügte sich damit, uns von den Bergkämmen aus zu beobachten.
Am Nachmittag kamen Atahuallpas Abgesandte von den Hügeln herab und überbrachten den alten Fürsten eine beruhigende Botschaft: ihr Herr beschwöre den geflohenen Adel von herrscherlichem Blut, nach Cuzco zurückzukehren, um die Beziehungen des Reiches zum Königtum Quito endgültig zu regeln und zwischen dem Inka und ihm die gebührende brüderliche Liebe wiederherzustellen.
Wir verwundern und freuen uns ebenso schnell, wie wir verzweifeln. Die Erleichterung war so groß wie vorher die Angst. Cuzco atmete auf. Quito mußte Atahuallpa überlassen werden, ja, aber war dies nicht der Wille des verehrten Huayna Capac gewesen? Es fehlte nicht viel, und man hätte den Sieger als einen Schwachkopf angesehen, der sich mit dem begnügte, was ohnehin sein Erbteil war, obschon er soviel mehr hätte fordern können. Die Einwohner von Cuzco besannen sich voll Wonne des Gefühls ihrer Überlegenheit.
»Wenn erst der Inka wiederkehrt, fressen wir den Bastard roh und ohne Pfeffer!«
Dies Wort eines alten Vetters von Huascar lief durch die ganze Stadt, und nach all den Schreckenstränen weinte man vor Freude.
Bei dem vorherrschenden Optimismus wären Bedenken unziemlich erschienen. Gleichwohl hegte ich ein dunkles Vorgefühl. Wenn Inti, unser Vater die Sonne, den wir mit Chicha getränkt, mit Jungfrauen, Kindern, prächtigen Lamas, dem zartesten Mais genährt und in goldenen Tempeln mit unserer Anbetung verwöhnt hatten, seinen eigenen Sohn, den Inka, verlassen hatte, mußten wir große Schuld auf uns geladen haben! Hatten wir denn genug gebüßt, genug gelitten, um die Dämonen zu vertreiben, auf daß die wohltätige Kraft der Götter aufs neue allmächtig walte und die moralische Ordnung wiederherstelle, ohne die wir nichts waren …?
***
Einer nach dem anderen kehrten also die geflüchteten Inka-Fürsten aus den benachbarten Provinzen oder von den Bergen zurück. Bald waren sie, bis auf Manco und einige andere, alle in der Stadt. Es fehlten nur Huascar und Atahuallpa, damit der große Rat zusammentreten konnte.
Als daher Diener uns
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