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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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ankündigten, die feindlichen Truppen kämen von den Berghängen herab, sahen wir es ohne Arg, als bewegten sich da Insekten. Im Näherkommen nahmen die Insekten menschliche Formen an, wurden zu Helmen, Kürassen, Schilden, zu baumwollgepolsterten Tuniken, zu bestickten Mänteln mit flügelgleich flatternden Bahnen und wallenden Jaguarfellen. Dies Gewimmel aus Köpfen, Armen, Beinen, aus Farben und Federn, aus Leder, Kupfer, Silber und Gold ergoß sich durch unsere weit offenen Tore, über Gassen und Plätze, fiel in die Paläste ein, und das Grauen begann.
    Die von Atahuallpas trügerischen Versprechen herbeigelockten und eingelullten Inkafürsten wurden bis auf den letzten ergriffen, erschlagen, erwürgt, gehängt, ertränkt, gesteinigt, selbst die Greise, die sich gar nicht aus Cuzco fortbewegt hatten. Und weil Blutdurst nur durch Blut zu stillen ist, legten die Henker die roten Hände nun an uns Frauen.
    Ohne Unterscheidung des Ranges, trieb man uns, auch die Kinder, aus den Palästen und brachte uns nach Yahuarpampa, einer weiten Ebene, eine halbe Meile von Cuzco entfernt.
    Unsere erbärmliche Schar, durch zahllose, in unserem Beisein verübte Morde heillos verstört, war dreifach vom Feind umschlossen. Den ersten Ring bildeten die Zelte der Krieger, den zweiten und dritten dicht stehende Wachen, so daß einem jeder Fluchtgedanke verging.
    Innerhalb der Umzingelung wurden wir schlimmer gehalten als Verbrecherinnen. Doch sich von einer Handvoll Mais und rohem Gras zu nähren, in der Morgensonne zu braten, vom Nachmittagsregen durchweicht zu werden, in den Nächten vor Frost zu schlottern – denn Wetter und Temperaturen machen im Land Cuzco gewaltige Sprünge –, sogar im eigenen Unrat zu liegen und Entbehrungen und Erniedrigungen zu erleiden, all das war immer noch Leben. Wenn viele von uns sich trotzdem den Tod herbeisehnten, so, um dem zu entgehen, der uns erwartete.
    Jeden Morgen kamen Soldaten, holten eine gewisse Zahl Frauen, und unweit unserem Blick, im Beisein einer Gruppe von Hauptleuten, gingen die Hinrichtungen vonstatten.
    Die Opfer wurden mit ihren langen Haaren, an den Achseln oder den Füßen an hohen Ästen oder an Galgen aufgehängt. Man legte die Kinder den Müttern in die Arme, und wenn die Unglücklichen nicht mehr Kraft genug hatten, ihre Kleinen an sich zu drücken, fielen sie herunter und zerschmetterten am Boden. Schwangere wurden aufgeschlitzt und die Frucht aus ihrem Leib gerissen … Ich sehe, Ihr bebt, Pater Juan. Es ist doch seltsam, wie die Weißen sich über Grausamkeiten bei uns empören, aber hinnehmen, was in ihren Ländern geschieht, wo ja auch sehr scheußliche Dinge vor sich gehen, wie man mir sagte.
    Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, was wir empfanden. Daß ich ein wenig besser widerstand, war nur der Geistesgegenwart meiner Zwergin Qhora zu danken, die aus meinen Sachen das Kokatäschchen geholt hatte, bevor die Soldaten uns aus dem Palast trieben.
    Dieses Täschchen, eine Chuspa, wie ich sie einst im Acllahuasi von Amancay zu Dutzenden gewebt und bestickt hatte, gehörte Huascar. Er hatte es mir geschenkt. Wir wußten nichts von ihm.
    Wenn ich an ihn dachte, krampfte sich mein Herz. Und wenn ich an Manco dachte, segnete ich die Götter, daß sie ihn verschont hatten. Es war nicht oft. Wenn man den Kopf voll hat mit Leid und Geschrei, vergißt man die Abwesenden. Man lebt nur aus dem Instinkt, wie ein Tier. Und wie ein Tier teilt man jeden Atemzug mit denen, die an derselben Kette hängen.
    Zufällig war ich neben zwei junge Acllas geraten, die aus der Provinz der Chachapuyas stammten. Sie waren fünfzehn und sechzehn, reizende Gesichter, und beide trugen ein Kind von Huascar. Ihre Schwangerschaft ging dem Ende zu. Die Szenen, denen wir beiwohnten, hatten sie in eine Verzweiflung nahe dem Wahnsinn gestürzt. Ich hatte die Mädchen liebgewonnen und beruhigte sie, wie ich konnte, mit meinen Kokablättern … Es war nicht gerade das Angezeigte. Wenn Koka auch gegen Erbrechen und Blutverlust äußerst wirksam ist, wenn sie als Tee innere Blutungen stillt oder, zu Pulver zermahlen, Wunden und Knochenbrüche heilt, so ist sie von den Ärzten doch nie einer Schwangeren empfohlen worden. Aber kam es noch darauf an, ob diese Kinder verkrüppelt, schwachsinnig oder tot geboren würden? Sie waren so oder so verdammt, wie ihre Mütter. Koka zu kauen hieß wenigstens, den Henkern einen Augenblick des Wohlgefühls abzutrotzen.
    Die Reihe der Hingeopferten wurde

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