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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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immer länger, darunter auch schon die Coya, etliche Prinzessinnen, zahlreiche Konkubinen von herrscherlichem Geblüt … Und bei jedem Tod erlebten wir im voraus unseren eigenen.
    Nachts schliefen wir, die beiden Acllas, meine Zwergin und ich, eng umschlungen, um uns mit der wenigen Wärme, die noch in unseren Körpern war, gegen den Frost zu schützen. In einer der eisigen Nächte, wie sie zu der Jahreszeit häufig sind, kam die Jüngste nieder. Es war ein Junge. Ich riß eine Bahn von meiner Lliclla, wir wickelten den Säugling fest darin ein, damit er nicht schrie. Die Mutter wollte seine Geburt verbergen. »Wenn ich geholt werde, Asarpay, versprich mir …« Ich trocknete ihre Tränen, steckte ihr meine letzten Krumen Koka in den Mund und versprach ihr, was sie wollte, sogar, das Kind zu töten, wenn ich an die Reihe käme. Ich brauchte es nicht. Anderntags kamen die Soldaten mich holen.
    ***
    Aus einer Anwandlung von Stolz hatte ich meine Haare geordnet und über meinem goldgestickten Gewand den Gürtel geschlossen, welch überflüssige Pracht. Eine grobe Wolltunika hätte mir besser gedient, aber in diesen Kleidern hatten die Soldaten mich im Palast des Inka angetroffen. Ich hatte auch meine Smaragdkette um, dieselbe, die ich jetzt trage.
    Ich müßte lügen, wollte ich behaupten, ich sei dem Tod friedlichen Gemüts entgegengegangen. So dumm zu sterben, so ohne jeden Sinn, das macht nicht eben tapfer. Allenfalls half mir dumpfe Wut, einen Fuß vor den anderen zu setzen und mich gerade zu halten.
    Die Soldaten führten uns, eine Reihe Konkubinen eines Onkels von Huascar und mich, vor drei Hauptleute, die grölend lachten und Chicha tranken.
    Neben ihnen stand ein Eisbeerbaum, er dient uns als Bauholz. Wie übergroße Stechapfelblüten, wenn sie ihre zerknitterten Blütenkränze entfalten, hingen Frauen an den Ästen. Ihre Haare, ihre Arme baumelten im Leeren, die herabgefallenen Kleider bedeckten ihre Gesichter, sie waren an den Fersen aufgehängt. Einige hatten ausgelitten, andere wimmerten, ihr Schreien erstickte unter den Röcken. Aber das Schlimmste, das Schlimmste! was mich um den Verstand brachte, war der unzüchtige Anblick, dem die Folterer sie aussetzten … Und dasselbe stand uns bevor, halbnackt, von Krämpfen geschüttelt, besudelt und obszön einem grotesken, vergeblichen Todeskampf ausgeliefert zu sein, und diese Unwürde riß mich plötzlich aus meiner Schicksalergebenheit.
    Und ich hörte eine Stimme die Klagen der Opfer überschreien, eine gellende, grausige Stimme, als entstiege sie dem Innersten der Erde, sie spie Beschimpfungen, Unflätigkeiten, bis ich am Zurückweichen meiner Gefährtinnen merkte, daß ich es war, die so schrie. Wörter quollen mir aus dem Gedächtnis auf die Lippen, wie die Männer des Volkes sie an großen Trinkabenden oder an Tagen des Zorns hervorstießen, ich hatte sie aus dem Mund meines Vaters und der Brüder meines Vaters gehört. Und auf einmal sah ich sie vor mir, meinen Vater, die Brüder meines Vaters und meine Mutter, meine Schwester, Menschen, die aus meinem Dasein verschwunden waren und die mir nun beistanden in der letzten Not.
    Die Soldaten versuchten mich wegzuschleifen. Ich leistete Widerstand, schlug um mich und brüllte, brüllte. Einer der Hauptleute unterbrach seine Späße, kam näher, er stierte auf meine Kette.
    »So große Smaragde trägt nur eine Coya«, sagte er, »aber eine Coya spricht nicht so eine Sprache.«
    »Meine Smaragde sind ein Geschenk des Inka, und meine Sprache ist die Sprache der Männer meiner Ayllu.«
    »Wer bist du?«
    »Asarpay. Ich gehöre Huascar, dem Inka, deinem Herrn.«
    »Ich habe nur einen Herrn, den ruhmreichen Atahuallpa … Asarpay, sagst du? Asarpay …! Solltest du etwa die sein, deren Schönheit von Arequipa bis Quito gepriesen wird, die Huascar den Kopf verdreht hat und deren Namen die Heiler von Dorf zu Dorf tragen, bist du Asarpay, die schöne Hinkerin?«
    »Was die Schönheit angeht, urteile selbst, aber eingedenk eurer pfleglichen Behandlung«, sagte ich. »Was das Hinken angeht … befiehl diesen stinkenden Tieren, mich loszulassen, und ich beweise es dir!«
    Und ich lachte höhnisch.
    Durch einen Mann, der grölte und sich an Chicha berauschte, während nur Schritte von ihm Frauen unter furchtbaren Qualen verendeten, fand ich zurück zu mir selbst. Ich war wieder die Asarpay, zu der mich mein Willen gemacht hatte. Auch wenn es an der Situation nichts änderte, schöpfte ich aus meinem Stolz

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