Die Favoritin
dunkelhäutig, eine Narbe stülpte seine Lippe auf wie bei einem Hund, der beißen will. Ich sah ihn mit einer Wildheit an, wie Ihr sie uns unterstellt. Zu Unrecht. In friedlichen Zeiten sind wir sanftmütige Leute, im Einklang mit dem geduldigen Wirken der Natur.
»Ich will eine Sänfte.«
»Du willst!«
»Weißt du, wer ich bin? Ich bin Asarpay, die Lieblingsfrau des Inka Huascar. Du dienst einem anderen, aber hast du deine Wahl auch gut bedacht? Weißt du, was morgen ist? Wenn die Götter den Sohn der Sonne zurückführen auf den Thron und er erfährt, daß du es gewagt hast, mich wie eine Dienerin zu behandeln, läßt er dich vierteilen und wirft dein Herz und deine Eingeweide den Schlangen zum Fraß vor! Schone mich, und du schonst dein Leben.«
Nach einem Hin und Her im gleichen Ton bekam ich meine Sänfte. Ob es meine Drohungen waren, die ihn umstimmten, oder die Befürchtung, er könnte Atahuallpa nur noch meine Leiche bringen, werde ich nie erfahren.
Ich nahm Qhora zu mir. Sie wog nicht mehr als ein Kind. Die Träger sagten nichts dagegen. Ich schenkte ihnen ein Armband aus Huayruro, das ich trug. Die Körner des Huayruro sind eine Art rot und schwarz gesprenkelte Bohnen und ein sehr begehrtes Glückspfand. Sie teilten sich das Armband zu viert. Es waren keine schlechten Leute.
Als wir uns Cajamarca näherten, einer Stadt auf halbem Weg zwischen Cuzco und Quito, hatte ich wieder Fleisch auf den Knochen und Klarheit im Kopf. Meine Ängste wurden damit um so größer. Körperliches Elend beschränkt den Geist, wie ich Euch sagte, auf die einfachsten Triebe.
Infolgedessen lieh ich den Reden wenig Gehör, die im Zug umliefen, daß nämlich erneut weiße Männer in Tumbez an Land gegangen waren. Ich hätte mich entsinnen sollen, was Huayna Capac geweissagt worden war, aber ich war zu sehr mit meinem Schicksal beschäftigt und wußte noch nicht, wie stark es bald an das jener Fremden gebunden sein sollte … Eurer Landsleute, Pater Juan.
Die Landschaft um Cajamarca ist ein Gemälde von Götterhand. Zur rechten ragt die Sierra mit ihren Eisfeldern und schneeigen Gipfeln vor tiefblauem Himmel empor; zur linken fallen mit hartem Gras und Büschen bestandene Hügel, blühende Gärten und Obstpflanzungen sanft zur Stadt hernieder, die sich mit ihren Strohdächern, den ockerfarbenen Mauern und steinernen Tempeln inmitten grüner Felder und lieblicher Wiesen erhebt, wo träge Lamas und Alpakas weiden.
Noch bevor wir Cajamarca erreichten, zeigten uns hohe Dampfsäulen die heißen Quellen von Pultamarca an, eines der von unseren Inkas bevorzugten Bäder. Dort hatte auch Atahuallpa, von Quito kommend, das Ergebnis seiner Manöver abgewartet. Ringsum am Berghang spitzten sich zu Tausenden die weißen Zelte seiner Armee.
Wir wurden von Kriegern angehalten.
Die Hauptleute des Zuges ließen die Soldaten zum Feldlager hinaufsteigen, dann sammelten sie die für Atahuallpa bestimmten Geschenke, zu denen ich gehörte, und wir begaben uns nach Pultamarca.
Meine Zwergin, die eng an meinem Rock hing, seufzte.
»Ich habe Angst, Herrin. Welchen Tod mag der Unhold uns bereiten?«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte ich. »Eine Zwergin findet an einem Fürstenhof immer ihren Platz, und sei er ein Unhold!« Ich sagte es schroff, um jedes weitere Wort abzuwehren, denn dieselbe Frage stellte auch ich mir.
Bevor wir am Palast ankamen, entblößten die Hauptleute ihre Füße, und Diener befestigten auf ihren prunkvollen Mänteln eine schwere Last. Mit scheelem Auge verfolgte ich diese Vorbereitungen. In der Tat nähert man sich barfüßig, mit gebeugtem Rücken und gesenkten Lidern dem Inka … Und ebenso zeigten sich die Hauptleute nun vor Atahuallpa, der doch keinen anderen Titel besaß als den des Verräters und Rebellen!
Der Bastard saß auf einem kleinen goldenen Thron in den Gärten. Seine Frauen räumten eifrig die Reste seiner Mahlzeit weg. Vor ihm sah ich zahlreiche Würdenträger, die ich von Tumipampa her kannte, im Halbkreis kauern. Sie traten beiseite, um die Hauptleute hindurchzulassen, denen die Geschenke nachfolgten.
Huascars in Trommler verwandelte, glücklose Verwandte wurden freudigst empfangen.
Atahuallpa hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem unterwürfigen, bezaubernden Prinzen meiner Erinnerung. Er war zum Herrscher geworden. Er trug Llautu und Mascapaycha, ganz als stehe er bereits an der Stelle Huascars.
»Tritt vor, Herrin«, raunte meine Zwergin.
Ich trat vor.
Ich wünschte, meine
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