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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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wenigstens soviel Kraft, dem Schuft die Stirn zu bieten und damit ein letztes Vergnügen zu kosten. Nur zu gern hätte ich weitergebrüllt, aber er hörte mich nicht mehr, weil er meine Gefährtinnen im Unglück befragte.
    Nachdem sie ihm bestätigt hatten, daß ich wirklich Asarpay, die Favoritin des Inka, war, kehrte er uns den Rücken und redete mit den zwei anderen Hauptleuten.
    Die Soldaten warteten. Meine Gefährtinnen warteten. Ich wartete. Die Sonne fiel glühend herab. An dem Baum röchelten kopfunter die Sterbenden.
    Meine Kehle brannte. Ich starrte nach den Weinkrügen. Ein Becher Chicha …! Aller Zorn fiel von mir ab, auch jedes Interesse an meinem und der anderen Schicksal. Mich quälte nur noch dieser Durst, diese Gier … Ein Becher Chicha! Ihr mögt mir nicht glauben, Pater Juan, aber ich schwöre Euch, in solchen Fällen schwindet der Verstand, ich hatte nur noch den einen Gedanken: Chicha.
    Der Mann gab den Soldaten einen Wink, sie wichen zur Seite, und ich trat vor.
    »Vielleicht wäre es unserem Herrn Atahuallpa eine Wonne, Huascar seine schöne Asarpay in Ketten vorzuführen wie ein Pumaweibchen«, sagte er jovial … »Vielleicht hat er auch noch eine bessere Idee? Unser Herr Atahuallpa hat so fruchtbare Einfälle. Wir wollen ihm einige Geschenke senden. Du gehst mit.«
    »Ich will Chicha«, sagte ich, »und meine Zwergin, und eine saubere Tunika, und eine Lliclla.«
    »Du willst, du willst …!«
    ***
    Es war ein beträchtlicher Zug. Der Feind schien einen Angriff seitens der Getreuen des Inka zu befürchten. Manchmal träumte ich davon, Manco käme von den Bergen herab und befreite mich, aber es war nur ein flüchtiger Gedanke. Der Traum war vielmehr, noch am Leben zu sein und mir die Augen mit allem zu füllen, dem ich schon Lebewohl gesagt hatte, dem Gras, den Blumen, den Felsen, dem Himmel …
    Soldaten marschierten zu beiden Seiten der Träger, die mit den Geschenken für Atahuallpa beladen waren: Standarten unserer Truppen, Schwerter, goldene Kürasse vom Schlachtfeld, etliche Prunkhelme, mit Edelsteinen besetzte Jaguarköpfe, märchenhafte Raubvogelköpfe, aus glänzenden, farbigen Federn gebildet, und schließlich … die einstigen Besitzer dieser Helme, zwei Onkel und vier Vettern Huascars, sie hockten in Sänften, klopften sich die Bäuche, in die man Asche und Stroh gestopft hatte, mit ihren wackelnden, toten Händen, die sich im Rhythmus der Träger bewegten wie Trommelschlegel. Den einen, Fürst Huaman Poma, hatte ein Pfeil mitten in die Stirn getroffen, und als man ihn herauszog, war das Fleisch eingefallen. Die anderen Gesichter waren unversehrt, mit Zinnober gefärbt, sehr majestätisch, sehr schön.
    Ich weiß, ich weiß, Pater Juan, nun schreit Ihr wieder auf.
    Doch jedem seine Bräuche.
    Belohnt man in Europa nicht die Soldaten, indem man ihnen weit die Tore der belagerten und eroberten Städte auftut. Dürfen sie nicht plündern, vergewaltigen, töten, bis sie sich an Blut, Wein, Frauen und Raubgut gesättigt und entschädigt haben? Dünkt Euch das höher zivilisiert, könnt Ihr das billigen, Gottesmann?
    Unsere Inkas billigten es nicht. Mord und Plünderung lagen ihrer Unterwerfungspolitik fern. Was hingegen konnte eine tapfere Armee mehr erfreuen, als, mit den Hüllen der besiegten Feldherren voran, die Trommel schlagend oder eine Knochenflöte zwischen den Zähnen, aufzumarschieren – was konnte den Stolz eines Volkes mehr erhöhen als solch ein Schauspiel! Und ist es nicht gerechter, sich an die Befehlshaber zu halten als an ihre Untergebenen?
    Allerdings waren bis dahin stets nur die Feinde des Inka in Trommler verwandelt worden. Mitglieder seiner Familie in dieser Ausstaffierung zu sehen, entsetzte mich wie ein Sakrileg, aber ich lebte noch, und das war schon viel.
    Wir nahmen den Weg in Richtung Amancay. Ich war es nicht mehr gewöhnt, zu Fuß zu gehen, Entbehrungen und Leiden hatten mich erschöpft, und Qhora, meiner armen Zwergin, ging es nicht besser. Wir hatten den Apurimac bei sintflutartigem Regen auf allen vieren überquert, denn die Brückenplanken waren glitschig vom Wasser, da weigerte ich mich weiterzugehen. Zu Fuß eine Reise von zweihundert Meilen durch die Sierra zu bestehen – von Cuzco nach Cajamarca, wo Atahuallpa sich aufhielt –, das überstieg meine Kräfte.
    Ich kauerte mich nieder.
    Die Soldaten befahlen mir, weiterzugehen und stießen mich mit Füßen. Ich rührte mich nicht. Ein Hauptmann kam. Ein Dicker, mit gutem Mais gemästet,

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