Die Favoritin
Kiesel, jedem Gras- oder Strohhalm reinigen, um den Sänften eine herrschaftliche Bahn zu bereiten. Dahinter schlängelten sich Sänger und Tänzer, dann kamen, in prächtigem Gold- und Silberschmuck, die Häuptlinge von Quito sowie jener Provinzen, die sich mit dem Bastard verbündet hatten; schließlich folgte seine Leibgarde, mehrere Tausende von jungen Adligen in blauer Uniform.
Ihr erinnert Euch, wie ich Euch die Sänfte Huayna Capacs beschrieb. Die Sänfte Atahuallpas stand ihr in nichts nach: ein Schrein aus Gold und Edelsteinen. Bevor die Behänge geschlossen wurden und während einige seiner Frauen noch liebevoll die Falten seiner Gewänder ordneten, durften wir denjenigen bewundern, der sich als Inka ausgab. Ich muß gestehen, daß Atahuallpa die erforderliche Hoheit besaß, aber wie loderte der Haß in meinem Herzen!
Zwei weitere Sänften trugen Fürsten der Küste, denen er das Vorrecht erteilt hatte, sich ihm anzuschließen. Dann folgte ungeduldig und fröhlich die goldblitzende Masse des Heeres.
Ich befand mich unter den Prinzessinnen von Quito. Da keine Frau von Stand das Verhalten billigen konnte, das ihr Herr mir gegenüber an den Tag gelegt hatte, bemühten sich alle, es mich durch ihre Liebenswürdigkeit vergessen zu machen. Und so hatten sie mich zur Teilnahme an dem Zug in ihrer Gesellschaft eingeladen.
Obwohl weit hinten, waren wir darüber unterrichtet, was sich anbahnte. Wir wußten, daß die Krieger unter ihren Prunkkleidern baumwollgepolsterte Westen und Büchsen voller Steine und Schleudern trugen, wußten, daß an ihren mit Fransen und Pompons aus Wolle und Federn geschmückten Ruten Fangschlaufen hingen und daß an strategischen Punkten im Umland Männer verteilt waren, um alle Fremden, denen die Flucht gelänge, gefangenzunehmen; wir wußten ferner, daß diese Fremden nach Angabe unserer Spione insgesamt nicht mehr als 176 waren, daß an unseren Augen aber ungefähr dreißigtausend Krieger vorübergezogen waren, kurz, wir wußten, daß diese weißhäutigen Wesen allein von ihrem Aufgebot her keine Chance gegen uns hatten. Außerdem hatte Atahuallpa die Befürchtungen seines Gefolges am Vorabend mit den Worten verlacht: »Es sind auch nur Menschen. Zählt sie und zählt uns! Ich hätte sie, gleich als sie an unserer Küste landeten, vernichten können, aber es verlockt mich, sie mir von nahem anzusehen – und ich will ihre Tiere, lebendig.«
Eine jede von uns hätte den Platz, der ihr in den grünen Hainen der ewigen Ruhe vorbehalten war, darauf gewettet, daß Atahuallpa die Tiere bekommen würde.
Nachmittags erfuhren wir durch einen zu den Prinzessinnen entsandten Eilkurier, daß die Spanier sich vor Angst und Schrecken in den Häusern rings um den großen Platz versteckt hatten, über den man nach Cajamarca einzieht.
Das erstaunte uns nicht. Wie hätten die weißen Männer sich vor der grandiosen Machtentfaltung, die sich mit einer auf Einschüchterung berechneten Langsamkeit vorwärts bewegte, nicht entsetzen sollen, auch wenn es sich offiziell um eine freundschaftliche Begegnung handelte?
Der Tag neigte sich, als die Prinzessinnen eine neue Botschaft erhielten: Atahuallpa habe beschlossen, sein Lager vor den Mauern von Cajamarca aufzuschlagen und das Treffen auf den kommenden Tag zu verschieben.
Ich wechselte einen betroffenen Blick mit Qhora, meiner Zwergin.
»Nachdem die Fremden vernichtet sind«, hatte ich ihr gesagt, »nutze ich die nachfolgende Siegesfeier zu meiner Flucht.« Und ich setzte meine Hoffnung auf diese Nacht.
»Dann müssen wir«, murmelte Qhora, an meine Röcke geschmiegt, »ganz schnell in die Berge verschwinden.«
»Wir? Du bleibst.«
»Ich gehe mit dir.«
»Du bleibst! Die Prinzessinnen von Quito werden froh sein, dich zu behalten. Sie sind gütig und werden achthaben, daß man dich gut behandelt.«
»Ich gehe mit.«
»Du würdest mich aufhalten.«
»Klettern ist keine Frage der körperlichen Größe. Ich bin leichtfüßig wie ein Lama … Und wer sollte für dein Feuer, für deine Nahrung sorgen?«
»Als ich klein war, in meiner Ayllu …«
»Das bist du aber nicht mehr«, sagte Qhora, »du hast dich zu sehr ans Nichtstun gewöhnt, deine Hände sind dumm geworden.«
»Was erlaubst du dir!«
Sie lächelte.
»Du wirst mich nicht los.«
Die Luft der Freiheit schon von fern zu schnuppern war uns ein Fest gewesen, und nun verschoben sich unsere Pläne, vielleicht auf ewig!
Doch kam wenig später eine dritte Nachricht, die meinem Herzen
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