Die Favoritin
Atahuallpas Leibgarde und die Sänftenträger sind auf ihrem Posten. Man muß sie einen nach dem anderen niedermähen, immer aufs neue ersetzen Garden die Träger, bis schließlich die Sänfte zu Boden sinkt und Pizarro – den Schritt hat er sich vorbehalten – Atahuallpa aus seinem mit Türkisen und Smaragden übersäten Goldschrein schält.
Wie ich schon sagte, Pizarro hat langjährige Erfahrung. Er kennt die Mentalität unserer Völker: wer bei uns das regierende Haupt hat, ist Herr über den gesamten Leib. Also war sein einziges Ziel Atahuallpa. Und da er glaubt, daß der ihm noch nützlich sein kann, will er ihn lebendig.
Auf unserer Seite gab es fünftausend Tote, die einen in Stücke gerissen, die anderen in der Panik zertrampelt oder erstickt. Alle Spanier kamen unbeschadet davon.
In nur dreißig Minuten hat sich Pizarro unseres Landes bemächtigt … Dreißig Minuten, an jenem 16. November 1532, und das Reich der Inkas und die Ehre eines zehn Millionen zählenden Volkes fielen in seine Hände! Das zu vermuten war ich damals natürlich weit entfernt.
***
In den ersten Monaten danach wurde ich mit Achtung behandelt. Pizarro gab mir eine Bleibe in Cajamarca samt Dienerinnen und notwendigem Zubehör.
Da diese Verfügungen bestätigten, was er mir bei unserer ersten Begegnung zugesagt hatte, nahm ich die neuen Dinge als gottgewollt. Ich dachte, diese Fremden, die trotz ihrer geringen Mittel so leicht über Atahuallpa gesiegt hatten, seien uns gesandt, die Ordnung im Reich wiederherzustellen und den Inka zurückzuführen auf seinen Thron … Behaupteten sie es doch selbst! Kurz, eine Zeitlang waren sie für mich, wie für alle von Huascars Partei, die Retter. Manche gingen soweit, sie als Götter anzusehen.
Da ich dem neuerlichen Müßiggang nichts abgewinnen konnte, äußerte ich den Wunsch, ihre Sprache zu erlernen. Pizarro schickte mir seinen jungen Cousin Pedro, dem ich zum Ausgleich Ketschua beibrachte. Ich machte rasche Fortschritte, weil ich Huascar als Dolmetsch dienen wollte, sobald die Spanier ihn befreit hätten, was nur beweist, daß die Grausamkeiten des Lebens meiner Einfalt noch nicht Herr geworden waren.
Anstatt jedoch weiterzuziehen bis nach Cuzco, setzten sich Eure Landsleute in Cajamarca fest. Und je mehr Monde abnahmen, desto unruhiger wurde ich, da ich feststellen mußte, welche liebreichen Beziehungen Atahuallpa zu seinen Kerkermeistern geknüpft hatte, und ich fürchtete von seiner Intelligenz und Doppelzüngigkeit das Schlimmste.
Umgehend hatte er die Habgier der Sieger erfaßt und ihnen ein gewaltiges Lösegeld { * } in Gold versprochen … gewaltig in den Augen der Euren, bei denen man für Gold alles bekommt, sogar das, was man sich verdienen müßte. Für uns, die wir soviel Gold hatten und ihm einen nur dekorativen Wert beimaßen, war es geringfügig.
Gold … und Frauen!
Pater Juan, gibt es in Spanien schöne Frauen?
Ich frage Euch das, denn mit Ausnahme einiger Huren haben die Damen, die hierher zu ihren Gatten kommen, wie es die spanische Krone befiehlt, nichts an sich, um einen Mann in Erregung zu versetzen. Allerdings müssen ihr Teint und ihre Laune auch ranzig werden, wenn sie entdecken, in welcher ausgelassenen Freizügigkeit ihre Herren Gemahle sich sielen.
Kurz, auch den Hunger auf Frauen hatte Atahuallpa gewittert. Etliche Prinzessinnen von Quito und noch mehr Konkubinen mußten auf seinen Befehl sein Lager verlassen, um das von Pizarro und seinen Brüdern wie auch das anderer Spanier zu zieren. Die weniger begünstigten hatten sich mit dem zu begnügen, was sie am Weg auflasen, aber glaubt mir, alle Eure Leute wurden versorgt.
Zu dieser Zeit respektierte man mich. Pizarro ließ es sich sogar angelegen sein, Villalcázar zurechtzuweisen, als ich mich über dessen Nachstellungen beschwerte … Villalcázar … Ihr erinnert Euch? Einer der beiden Caballeros, die als Abgesandte nach Pultamarca gekommen waren.
Obwohl mit einer Schwester Atahuallpas und mehreren anderen Frauen wohlversehen, traf ich jedesmal auf ihn, wenn ich bei Pizarro vorsprach oder auch nur mein Haus verließ. Seine Komplimente, seine Beharrlichkeit beleidigten mich – uns sind solche Gewohnheiten fremd. Villalcázar tat, als bemerke er es nicht. Vielleicht hielt er meine Kälte sogar für Koketterie? Er gehörte zu jenen schönen, besitzergreifenden Männern, die eine Zurückweisung gar nicht verstehen, weil ihnen sonst keine begegnet. Schön war er wirklich! In der vollen Blüte
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