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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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wieder Zuversicht gab: Atahuallpa habe dem Ersuchen der Fremden entsprochen und sei endgültig entschlossen, in Cajamarca einzuziehen.
    Obwohl der Zug von Mittag bis Abend gebraucht hatte, die Strecke zurückzulegen, liegt Cajamarca nur eine halbe Meile von Pultamarca entfernt. Zwischen beiden Ortschaften höhlt sich ein Tal, und da die Straße zur Stadt hin ansteigt, befanden wir uns mit ihm fast auf gleicher Höhe, so daß wir nun sahen, wie nach dem ersten Teil des Zuges Atahuallpas Sänfte auf den Schultern der Träger das Tor durchschritt und wie die Kriegermassen ihr folgten.
    Der Wind hatte gedreht, er wehte jetzt, mit schweren Wolken geschwellt, von Nord und blies uns den schrillen Ton der Flöten über dem dunklen Grundton der Trommeln entgegen.
    Plötzlich verstummte die Musik. Minuten verstrichen. Wir warteten. Da schien es, als stürze der Himmel mit einem ungeheuren Krachen ein.
    Wir hatten die Augen geschlossen, drängten uns aneinander. Selbst in seinem gewaltigsten Zorn hatte Inti Illapa uns noch nie so gewaltigen Donner gesandt! Der Lärm schwieg. Wir öffneten die Augen. Horizont, Stadt, Landschaft, alles war noch am selben Platz. Ein Schattenriß in der Dämmerung. Ohne uns erklären zu können, was vorging, begannen wir uns eben ein wenig zu beruhigen, als plötzlich die Stadtmauer von Cajamarca einbrach und aus dem gähnenden Schlund sich eine menschliche Sturzflut den Hang herab ergoß …
    Und die Spanier waren in Pultamarca, noch ehe wir begriffen hatten, was da geschehen war. Die Wolken waren geborsten. Unter sintflutartigem Regen, von dem vorauseilenden, ohrenbetäubenden Gerassel der Schellen, mit denen Brust- und Beinpanzer ihrer Pferde besetzt waren, fielen sie im scharfen Galopp in die Gärten ein, umzingelten den Palast und durchbohrten die Wachen mit ihren Lanzen.
    Wir hatten uns in ein Nebengebäude geflüchtet, doch wollten mehrere von Atahuallpas Konkubinen, kopflos geworden, fliehen. Die Prinzessinnen von Quito befahlen ihnen, die Würde zu wahren und sich nicht von der Stelle zu rühren. Das rettete sie, sonst wären sie mit Sicherheit der Gewalt der Spanier gegenüber den Dienerinnen und Kriegerfrauen zum Opfer gefallen. Der Palast, wie wir dann erfuhren, wurde im Handumdrehen geplündert.
    Endlich interessierte man sich auch für uns, die wir uns fragten, ob wir den Tag überhaupt erleben würden. Die Betäubung fiel von uns ab. Während wir immer noch nicht begriffen, wieso die Spanier als Sieger auftraten, da sie doch nach der Logik zur Rolle der Besiegten verdammt waren, bezweifelten wir, daß sie Gutes mit uns im Schilde führten.
    Sie waren korrekt.
    Beeindruckt durch unsere Haltung und die Pracht unseres Putzes, zügelten sie ihre Triebe und umstellten das Gebäude lediglich mit Soldaten. Am Morgen dann wurden wir nach Cajamarca gebracht.
    Auf dem Weg zur Stadt zerbrach den Frauen vollends die winzige Hoffnung, an die sie sich geklammert hatten.
    Die Wiesen, Obstgärten und Festungswerke der Stadt waren nur mehr ein einziges Totenfeld, lauter Krieger. Ich müßte lügen, wenn ich sagte, daß ich den Schmerz der Frauen teilte, trotzdem beruhigte mich der Anblick keinesfalls über mein eigenes Schicksal.
    Qhora faßte die Lage in einen Satz: »Wir sind aus den Händen des Unholds in die Klauen eines Dämons gefallen.«
    Nach allem, was wir gesehen hatten, glaubte keine von uns, daß Atahuallpa noch am Leben sei. Als seine Frauen ihn dann erblickten, vergaßen sie alle Zurückhaltung und stürzten, einander drängelnd und schubsend, mit Klagen und Freudentränen zu ihm hin, um sich vor ihm niederzuwerfen, ihn zu berühren, seine Hände und Füße zu küssen. Was ich von dem Bastard von Quito halte, habe ich gesagt, Pater Juan, aber unstreitig ist: die Seinen liebten ihn bis zur Anbetung.
    Verblüfft wohnten die anwesenden Spanier den überschwenglichen Bekundungen bei.
    Ich verharrte mit Qhora an der Schwelle des Gemachs. Mit eigenen Augen zu sehen, daß Atahuallpa ganz offenbar gefangen, aber heil und gesund war und ehrenvoll behandelt wurde, verursachte mir einen Schock.
    Als ich meine Gedanken ein wenig geordnet hatte, sprach ich den Dolmetscher an, denselben, der tags zuvor mit den beiden Herren nach Pultamarca gekommen war. Er stand im Moment müßig und wartete, daß die Frauen sich beruhigten.
    Ich trat mit jener hochfahrenden Miene auf ihn zu, die am Hof zu Cuzco Brauch war und die jeder Eingeborene erkennen mußte, sei er noch so einfältig.
    »Führe mich zum

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