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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Oberhaupt dieser Fremden«, sagte ich. »Ich gehöre nicht zu Atahuallpa. Im Gegenteil, ich habe Grund, mich über ihn zu beklagen. Ich bin Asarpay, die Favoritin des Inka Huascar, deines Herrn.«
    Und da ich es nicht mehr aushielt, in Unkenntnis zu verharren, und mich auch informieren wollte, bevor ich dem Mann gegenüberträte, dem es gelungen war, den Bastard von Quito inmitten seiner großen Armee gefangenzusetzen, fragte ich ihn, was eigentlich passiert sei.
    Der Dolmetscher, der von einer Insel vor der Küste stammte, drückte sich in unserer Sprache sehr unzulänglich aus. Erst allmählich, auch nach den Reden Eurer Landsleute, konnte ich mir die Geschehnisse zusammenreimen. Ihr kennt sie. Wer in Spanien, dem seither unsere Reichtümer zuströmen, kennt sie nicht! Aber Erzähler fabulieren oft, und vielleicht hört Ihr nicht ungern die schiere Wahrheit über Francisco Pizarros Heldentat, zumal ich ihm in der Folge kein Lob mehr erteilen kann.
    Wichtig ist es dabei, sich den Handlungsort vor Augen zu führen, denn der lieferte Pizarro den Schlachtplan.
    Stellt Euch einen weiten Platz aus gestampftem Lehm vor. Er wird auf drei Seiten von einstöckigen Gebäuden aus ungebrannten Ziegeln begrenzt. An der vierten Seite verläuft eine lange Mauer, ebenfalls aus diesen Lehmziegeln, von der aus man die Landschaft überschaut. Die Mauer hat nur zwei Tore, die Zugang zur Stadt bieten. An dem einen Tor erhebt sich ein zweistöckiger Turm.
    Als Atahuallpa auf diesen Platz von Cajamarca zieht, ahnt er nicht, daß sein Schicksal binnen Minuten besiegelt sein wird.
    Pizarro hingegen hat alle Risiken erwogen. Er ist ein Veteran der Conquista, er geht auf die Sechzig, seine Zeit, Ruhm und Reichtum zu ernten, ist bemessen. Er weiß, daß dieses Land, das zu finden ihn so viele Jahre seines Lebens und auch so viele Leiden gekostet hat, das größte und reichste ist, in das jemals ein Eroberer den Stiefel setzte. Ebenso weiß er, wenn nicht er den ersten Schlag wagt und gewinnt, wird sein Ehrgeiz tödlich enden. So bleibt das Undenkbare, das Unmögliche für ihn der einzige Ausweg.
    Zurück zu Atahuallpa. Von seiner Sänfte herab überschaut er den Platz, wo Diener, Musiker, Tänzer und Krieger wimmeln, und erwartet, daß die Fremden ihm ihre Ehrung entbieten, aber in der lärmenden, farbenfrohen Menge will kein Spanier erscheinen.
    Er wird ungeduldig, entrüstet sich, da tritt aus einem Gebäude ein Geistlicher und kommt, von einem Dolmetscher gefolgt, auf die Sänfte zu. Die Reihen öffnen sich vor der braunen Kutte, das fromme Gebaren gebietet Schweigen.
    Der Geistliche hält eine Bibel in der Hand. Er beginnt auf Atahuallpa einzureden, spricht, Euren Bräuchen gemäß, von Gott und Seiner Spanischen Majestät, aber Atahuallpa, der keine Macht außer der seinigen anerkennt, wird immer gereizter. Der Geistliche läßt nicht locker.
    »Alles steht in der Bibel geschrieben!« sagt er und streckt Atahuallpa das heilige Buch hin. Der schlägt es auf, blättert. Die Zeichen sagen ihm nichts. Verächtlich wirft er die Bibel zu Boden. Der Geistliche hebt sie auf und läuft eilends zu Pizarro.
    Die Entscheidung stand vorher schon fest, aber zur Beruhigung des Gewissens mußte Atahuallpa zu einer feindseligen Handlung, zu einem Sakrileg provoziert werden. Pizarro gibt das Zeichen.
    Sofort bricht aus allen Gebäuden, allen Toren die spanische Reiterei hervor. Mit wildem Kriegsgeschrei sprengen Roß und Reiter in die Menge, schießen aus Musketen und Feuerbüchsen, zugleich fangen die im Turm aufgestellten Kanonen an zu donnern.
    Dieser Höllenlärm, diese Waffen, die aus dem Abstand Blitz und Tod spucken, diese Pferde, phantastische, riesenhafte Fabelwesen für einen, der noch nie welche gesehen hatte, das Geschrei, die Befehle, deren Bedeutung das Ohr nicht erfaßt, der scharfe Pulvergeruch, all das ist zuviel, zuviel Unbekanntes auf einmal. Den Männern meiner Rasse schwindelt es, sie werden von Furcht und Schrecken in einem Maße überwältigt, daß Vernunft und Disziplin keine Macht mehr haben. Sie sind viele tausend. Die Spanier allein mit ihrer Überzahl zu zermalmen wäre ein leichtes, aber sie denken nicht dran, sie denken nur noch an Flucht. Ihr Wille ist auf den Instinkt reduziert, wie eine Herde scheuender Tiere stürzen sie sich auf die Umfassungsmauer. Der Ansturm ist so gewaltig, daß die Steine und Luftziegel, aus denen die Mauer besteht, zusammenbrechen und viele unter sich begraben.
    Nur die jungen Adligen von

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