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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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rohen Mais und Gras. Wir hatten weder Licht noch Decken, Wasser gerade nur soviel, daß wir nicht verdursteten, und in welchem Unrat wir hausten, mögt Ihr Euch selber denken.
    Doch die Liebe läßt Blumen sprießen, egal wo.
    Manco zu umsorgen war ein Glück.
    Wir rissen Bahnen von unseren Llicllas und schoben sie unter die Eisen, um sein wundes Fleisch zu schonen, wir gaben ihm zu essen und zu trinken, immer tastend in der Dunkelheit und wie Tiere kriechend, und war das Wenige für ihn getan, kauerten wir uns um ihn nieder und bildeten ihm mit unseren Körpern einen Wall gegen die Kälte. Er war unser Sohn, unser Vater, unser Geliebter, unser Gott. Nie erfuhr ein Inka auf dem Gipfel seiner Größe eine so reine, so innige Liebe wie Manco dort, wo das Elend uns zusammenschloß und alle bösen Gedanken verwehrte, die sonst zwischen Frauen so leicht keimen.
    Er berichtete uns, daß er beim Verlassen der Stadt von einem Eingeborenen eines unterworfenen Stammes erkannt und verraten worden war. Doch er klagte nicht. »Wir haben unsere Schuld noch nicht genug gebüßt«, sagte er. »Nehmen wir die Prüfung an, unser Vater die Sonne wird uns beistehen.«
    Eines Morgens – wenigstens vermutete ich, daß es Morgen war, denn wir hatten unsere Tagesration noch nicht erhalten – stellten sich Juan und Gonzalo Pizarro ein.
    »Wir haben dir den Weg geebnet, dich auf den Thron deiner Väter gesetzt, und du, Hund, fliehst, um uns von hinterrücks zu meucheln! Dankbarkeit gibt es in den Köpfen von Wilden wohl nicht? Wir waren viel zu geduldig mit euch. Bei Kreaturen wie euch helfen nur Peitsche, Eisen und Gewalt! Entweder du lieferst uns eure Schätze aus, oder deine Frauen werden vor deinen Augen eine nach der anderen vergewaltigt, und dann töten wir dich.«
    Manco bewegte die Lippen. Er sprach so leise, daß ich seine Worte kaum verstand.
    »Atahuallpas Krieger haben Cuzco geplündert, und was sie raffen konnten, das haben sie weggeschleppt. Als ich mit dem Statthalter eintraf, war der Palast meines Vaters leer, und leer stand der Palast Huascars, meines Bruders. Ich habe nichts.«
    »Du lügst! Ihr ›Indier‹ lügt alle. Schurken, Lügner, tückische Brut! Du weißt, wo das Gold ist. Überleg es dir. Du hast zwei Tage Zeit.«
    Mechanisch übersetzte ich. Meine Lider zuckten. Die Fackeln, das grelle Licht … ich war nicht mehr daran gewöhnt.
    Gonzalo Pizarro strählte, mit vor Ekel aufgeworfenen Lippen, seinen Bart. Tatsächlich, wir boten einen ziemlich abstoßenden Anblick. Aber vor allen Manco … Mancos Augen entsetzten mich. Zwei Schlünde. Als blicke man in das schwarze Nichts.
    Bevor die Brüder Pizarro gingen, bespien sie ihn.
    »Was machst du nun?« fragte ich ihn.
    »Die kriegen nichts.«
    Ich rückte ihm näher.
    »Gib ihnen das Gold, das in meinem Palast versteckt ist«, raunte ich. »Gib es ihnen, sonst tun sie, was sie angedroht haben.«
    »Das tun sie so und so. Je mehr sie kriegen, desto mehr wollen sie, und wenn sie alles haben … oder glauben, alles zu haben, dann löschen sie uns aus. Das hat Atahuallpa umgebracht. Wenn sie erfahren, daß es unter unseren Palästen, unseren Tempeln geheime Lager, unterirdische Gänge gibt, sind diese Dämonen imstande, Cuzco zu zerstören, Stein für Stein.«
    Bis zum übernächsten Tag, als die Brüder Pizarro wiederkamen, sagte er kein Wort mehr.
    Sie kamen mit etwa fünfzehn Soldaten.
    »So, wo ist das Gold, verdammter stinkender Köter!«
    »Sucht in den Schluchten, in den Abgründen, am Grund der Flüsse«, sagte Manco, »und Ihr werdet es finden. Nach der Hinrichtung Atahuallpas haben seine Hauptleute viel versenkt, damit es nicht in Eure Hände fällt.«
    »Du machst dich wohl lustig, du Aas«, sagte Juan Pizarro. »Aber du lachst nicht mehr lange.«
    Sie zogen sich zurück.
    Die Soldaten blieben. Wir hörten sie miteinander scherzen.
    »Sieh, mein allmächtiger Herr«, flüsterte die kleine Inkill Chumpi, »sieh doch, sie haben uns die Fackeln dagelassen.«
    Manco gab keine Antwort.
    Da stürmten die Soldaten in unseren Kerker.
    Pater Juan, haben die Spanier, die Euch die wunderbare Eroberung Perus darstellten, auch erzählt, daß an jenem Morgen die Soldaten auf den Inka urinierten, daß fünf von ihnen sich über fünf Frauen hermachten und sie vor unseren Augen vergewaltigten? Hat man Euch das berichtet? Ich glaube kaum. Derlei sind Nichtigkeiten.
    Voll Grauen mußte ich, die ich zu Euch spreche, dem beiwohnen, zusehen, wie die reine, jungfräuliche

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