Die Favoritin
den Klang einer Glocke gehört hatte, spähte nach dem Himmel, drehte sich nach allen Seiten, faßte sich an den Kopf und rollte ihn ächzend zwischen den Händen. Die Glocken, dazu die Menge Sora, die er in sich hatte, es war zuviel!
Plötzlich kauerte er sich auf das Pflaster.
»Die Götter verbieten mir weiterzugehen, wir kehren zurück ins Dorf.«
Und er zeigte mir das Unterlid seines linken Auges: es flatterte. Tatsächlich, eines der unheilvollsten Vorzeichen. Aber ich hatte zu lange darauf gewartet, Villalcázar meinen Haß entgegenzuspeien.
»Geh, wohin du willst, Alter«, sagte ich. »Ich gehe, wohin ich muß.«
Damit entfernte ich mich.
Ich war noch keine zwanzig Schritte weit, als er mich einholte, das Auge zu, verschlossen mit einem Stückchen Strohhalm und Spucke – die klügste Art, in solchem Fall das Schicksal zu beschwören, wie jeder weiß.
»Die Tränen können nicht fließen«, sagte er majestätisch. »Ich gehe, wo du hingehst.«
Bis zur Huacaypata mußte ich ihn in einem fort rüffeln. Die Mauern unserer Paläste, das gipserne Zuckerwerk, das sich über ihnen erhob, die wenigen Passanten, alles war ihm Vorwand, stehenzubleiben, laut auszurufen, zu bewundern oder zu bemängeln.
Ich kämmte und wusch mich am Brunnen. Der Alte hielt es nicht für nötig, Wasser zu berühren. Ein Becher Sora erfrischte ihn besser als jede Wäsche.
An der Ecke des großen Platzes, wo die Straße einmündet, bat ich ihn, auf mich zu warten und auf unsere Sachen aufzupassen.
Vor Villalcázars Haus sank mein Fieber.
Es war kaum über einen Monat her, als ich diese Schwelle betrat in der Erwartung, meine kleine Tochter hier zu finden; ich fühlte ihre warmen Ärmchen schon um meinen Hals, hörte ihre Freude schon in meinen Ohren gellen, Hoffnung führte mich …
Ein Monat! Mir war zumute, als ob ich meine Trauer seit Jahren schleppte.
Ich hob den silbernen Türklopfer.
Ein Diener erschien.
»Was willst du?«
Aber er meinte nicht mich.
Ich drehte mich um, und mit den Augen des Dieners starrte ich auf den Vater meines Vaters, sein verhorntes Gesicht, das schmutzig war wie eine alte Kartoffel, seine rötlichen Lumpen, über denen wie eine Halskette die Kräuterbündel an einer Strippe baumelten.
»Ich habe doch gesagt, du sollst auf mich warten!« schrie ich.
»Ach, zankt euch woanders!« sagte der Diener. »Mit Barfüßern haben wir nichts zu tun, und für Almosen ist es der falsche Augenblick.«
»Elender Würmling, Dreck von einer Kröte!« brüllte der Vater meines Vaters. »Hat dich keiner gelehrt, das Alter zu achten? Und du, Tochter, sagst nichts, du erlaubst, daß man den Vater deines Vaters beschimpft, den Hüter unserer heiligen Huaca, den, der mit den Göttern redet?«
Ich schickte mich an, meinen Zorn auf den Diener umzulenken, wie es die Kindespflicht gebot, als neben der Tür das Flügeltor aufging, das zu den Pferdeställen führte, und eine Flut Frauen ausspie. Wie im Triumph von dieser lärmenden, goldgezierten Schar, die sich um sein Roß drängte, emporgehoben, erschien Villalcázar. Blinkender Küraß, dunkler Samtmantel und, wie stets, sein großer schwarzer Filzhut. Eine Reihe Berittener folgte ihm.
Sein Anblick gab mir meine Entschlossenheit wieder.
Ich stürzte in das Gewühl, stieß die Frauen beiseite und faßte sein Pferd am Zügel. Er beugte den Kopf.
»Du!« sagte er.
»Ich muß dich sprechen. Können wir …«
»Jetzt? Unmöglich. Ich reise.«
Sein Mund krümmte sich.
»Asarpay, ich möchte … Wegen deiner kleinen Tochter, Gott ist mein Zeuge, das habe ich nicht gewollt, ich wollte dich nur wiederhaben, der ›Indier‹ verdient dich nicht.«
»Du reist ab?«
»Die Nachricht kam heute morgen. Einige Schufte, darunter dein teurer Martin und andere Freunde von Diego de Almagro, dem Sohn des Einäugigen, haben Pizarro in seinem Palast ermordet.«
»Pizarro ist tot!«
»Ich hatte ihm geraten, vorsichtiger zu sein. Nie hätte er zulassen dürfen, daß dieses Ungeziefer sich nur Schritte von seinem Palast entfernt einnistet. Sie haben ihn überrumpelt und mit ihren Schwertern durchbohrt. Wäre ich dort gewesen … Leider war ich es nicht. Diego de Almagro hat sich zum Statthalter und Generalhauptmann von Peru ausrufen lassen. Ein Bürschchen, und Mestize obendrein! Jetzt die Rechnungen zu begleichen, das wird ein verdammter Schlamassel.«
Die hinteren Pferde stampften.
Er beugte sich zu mir herunter.
»Ist das dein Leibwächter, die Vogelscheuche da? Konnte
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