Die Favoritin
Manco dir nichts Besseres zur Begleitung mitgeben?«
Ich preßte die Kiefer zusammen, ließ den Zügel fahren.
»Er ist ein großer Seher, der Vater meines Vaters. Wer getan hat, was du getan hast, ist nicht einmal seines Speichels würdig.«
»Asarpay! Ich bereue es, ich bereue es aufrichtig. Kannst du mir das nicht wenigstens glauben?«
»Deine Reue gibt mir mein Kind nicht zurück. Aber Böses rächt sich, früher oder später. Du wirst dafür zahlen.«
»Bartolomé!« rief einer der Caballeros. »Reiten wir?«
Villalcázar tippte an seine Hutkrempe.
»Ich sage dir nicht Lebewohl. Zwei wie wir finden sich immer wieder.«
Die Frauen liefen mit schwingenden Röcken neben den Pferden her bis zur Huacaypata. Dann kehrten sie zurück zum Haus. Die Türen schlossen sich. Die Straße lag still und dunkel. Seit Eure Landsleute ihre Stockwerke auf unsere Mauern gesetzt haben, fällt in Cuzcos Gassen kein Himmelslicht mehr.
Ich blieb stehen, wo ich stand. Ein Satz von Martin ging mir durch den Sinn: »Wer sich rächen will«, hatte er gesagt, »muß leben und auf seine Zeit warten.« Er, der Sanftmütige, der Schüchterne, der Träumer, hatte auf seine Zeit gewartet. Ich nicht. Der Haß hatte mich dumm und blind gemacht … Aus unbedachtem Antrieb nach Cuzco zu kommen, ohne genauen Plan! Sicher, den Mord an Pizarro hatte ich nicht voraussehen können, aber Villalcázar mit einem Flintmesser erstechen zu wollen …! Selbst angenommen, wir wären allein gewesen, er und ich, hätte er mir etwa die Seite geboten wie ein Lama oder ein Meerschwein!? Ich erstickte an meiner eigenen Dummheit.
»Gehen wir, Tochter«, sagte der Vater meines Vaters.
An der Gassenencke nahm ich meine Last auf, und ohne uns abzusprechen verließen wir Cuzco.
Unterwegs kam der Regen und ließ uns nicht mehr los. Erst als fern die scharfen Grate unseres Berges sich abzeichneten, begann der alte Mann, der fast den ganzen Rückweg lang Schweigen gewahrt hatte, plötzlich zu reden.
»Der Fremde, der ganz mit blankem Metall bedeckt war, mit dem du gesprochen hast, wer ist das?«
»Einer von ihren Häuptlingen.«
»Du scheinst ihn gut zu kennen.«
»Ich kenne ihn.«
Der Vater meines Vaters blieb stehen.
»Ich verstehe nicht.«
»Es würde zu lange dauern, es dir zu erklären«, sagte ich. »Die Zeiten sind nicht mehr, was sie waren, Alter, und die Ereignisse zwangen mich zu mancherlei.«
»Hat der Fremde dich auf seinem Lager gehabt?«
Ich brauste auf: »Was erlaubst du dir!«
»Ich weiß es, ich wußte es, als ich euch zusammen reden sah. Wenn einer Scharfsinn hat, fühlt der Geist, was verborgen ist.«
»Wenn du es weißt, wieso fragst du!«
»Ich verstehe nicht«, wiederholte er. »Wie kannst du, eine von den Söhnen der Sonne Geehrte, wie kannst du verliebt sein in einen weißhäutigen Mann?«
Ich musterte ihn entsetzt.
»Alter, du verlierst den Verstand! Verliebt in … Ich hasse ihn! Ich werde erst Frieden haben, wenn er nicht mehr ist. Deshalb bin ich nach Cuzco gegangen, ich wollte ihn töten, aber …«
»Auch das weiß ich. In dir ist Gewalttat, Tochter. Sie verdirbt dein Herz.«
»Und dich, Alter, verdirbt das Trinken!«
Ich wühlte in meinen regendurchweichten Kleidern, warf ihm das Flintmesser vor die Füße, das ich ihm entwendet hatte, und lief davon.
Am Tag nach unserer Rückkehr wurde ich auf dem kleinen Platz, der unsere Ayllu in oben und unten teilt, ohnmächtig. Nach diesem Zusammenbruch bekam ich hohes Fieber. Der Curaca schickte mir seine erste Gemahlin, die älter, weise und dürr wie ein Strohhalm war. Sie tastete meinen Körper ab, um die Hitze zu messen, und nach der Untersuchung ließ sie mich zwischen den Augen mittels einer Flintsteinspitze zur Ader. Da das Fieber anhielt, beschaffte sich die Alte einen Frosch, den mußte ich einen ganzen Tag am bloßen Leib festhalten. Dann ließ sie sich mit ihren Kräuterpackungen, ihren Pulvern und Tränken an meinem Kopfende nieder. Wer weiß, ob es die gelbblütige Chicoree, die Rinde der Chinchona oder der Kaktussaft war, nach einigen Wochen jedenfalls schwand das Fieber. Von all den Abführmitteln, Aderlässen und der Schonkost war ich sehr geschwächt. Es war mir gleichgültig. Ich lebte mit leisem Atem, fand sogar Genüge daran. Ich bestimmte die Nische im Felsen neben Zara, wo ich ruhen wollte. Ich hätte es dort gut gehabt. Das Leben hatte mich zu sehr verwöhnt, als daß ich wünschte, es in der jetzigen erbärmlichen Eintönigkeit fortzusetzen.
Ich
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