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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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laufen, sie würde es ihm erklären, dort säße sein Vater, ungeduldig, starrte ihn an und sagte: Benny, den Schreck hast du verdient, siehstewohl, lass uns jetzt fahren .
    Stattdessen standen an der Treppe Alasdair und ein anderer Schüler in ihren blauen Uniformen und starrten ihm entgegen. Benny wurde langsamer und atmete tief ein. Er spürte seine Beine nicht mehr, aber er stolperte auch nicht. Alasdairs Blick war kühl. Der zweite Schüler, ein etwas untersetzter Junge mit glatten schwarzen Haaren, streckte zögernd die Hand aus. »Elvis Bloomsfield«, sagte er. »Ich bin dein Pate.«
    Benny wollte toben, schreien, sogar nach seinem Vater brüllen, aber eine seltsame Lähmung hatte ihn erfasst. Wortlos ergriff er die dargebotene Hand. »Benny.« Seine Stimme klang fremd.
    Alasdair hob die Brauen, wandte sich ab und ging voran. Elvis folgte ihm. Weil es offenbar von ihm erwartet wurde und er ohnehin nicht wusste, wohin, schloss sich Benny an. Etwas in Alasdairs Blick war tief in sein Innerstes gedrungen, als sähe der andere genau, was in ihm vorging. Er verschloss sein Gesicht, so gut es ging, und schwieg. Wie ein Strafgefangener kam er sich vor. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken. Vor allem einer: Verrat. Er fühlte sich so verraten, dass er hätte kotzen mögen. Aber er war ganz leer. Magen leer, Kopf leer, Herz leer. Ihm war übel.
    »Wann ist mein Vater weggefahren?«
    »Vor zwanzig Minuten«, antwortete Alasdair.
    Bennys Beine zuckten, als wollten sie sagen: Lauf, den holen wir noch ein! Er ballte die Fäuste. »Mein Gepäck?«
    Alasdair blieb stehen. Eine Reisetasche, vor einigen Tagen neu gekauft, und Bennys Rucksack standen einsam im Gang, unter dem verblassten Wandteppich, bei dem sich Benny vorhin abgesetzt hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen wuchtete er den Rucksack auf den Rücken, die Tasche an ihrem breiten Riemen über die Schulter. Die beiden anderen flankierten ihn, als sie weitergingen.
    »Morgen nach dem Frühstück«, teilte ihm Alasdair mit, während sie durch lange Korridore eilten, durch die ihnen ab und zu jemand entgegenhuschte und wieder verschwand, »hast du einen Termin mit Direktorin Rutherford. Sieh zu, dass du sie nicht warten lässt.« Seine Stimme war die von jemandem, der es gewohnt war, dass man tat, was er anordnete, und gar nicht auf die Idee kam, es könnte sich jemand widersetzen.
    Eine weitere Treppe hinauf, einen weiteren Gang entlang, dann hielten sie vor einer der vielen Türen an. Benny hatte den Eindruck, sie hätten kilometerweise immer gleichbleibender grauer Korridore im Laufschritt hinter sich gebracht. Er war nicht sicher, ob er den Rückweg finden würde. Seine Schulter schmerzte vom Gewicht der Tasche.
    Alasdair griff nach der Tür und stieß sie auf. Dahinter lag ein dämmriges Zimmer mit mehreren Betten und einem Kamin, in dem ein Feuer brannte. Ohne weitere Umstände trat Benny ein, ließ sein Gepäck auf den Boden plumpsen und schaute sich um. Bei seinem Eintreten war der dickliche Junge, der vor dem Kamin kauerte, erschrocken hochgefahren und starrte die drei an.
    »Robin Benedict Reutter«, stellte Alasdair Benny vor. »Und das dort ist Felix von Hauenstein. Von Hauenstein hält man sich besser fern.«
    »Ich wollte nur … Sir«, stammelte Felix. »Das Feuer. Ich habe nach dem Feuer gesehen.«
    Als wäre er gar nicht da, wandte sich Alasdair ab. Unter seinem Blick straffte Benny den Rücken. Arschgesicht, dachte er. Solche Leute hatte er noch nie leiden können.
    Alasdairs graue Augen glitzerten spöttisch, als er ihn eingehend musterte. »Einmal Schottland und zurück dauert etwas länger als gedacht, nicht wahr?«, fragte er leise. Zwischen zwei Herzschlägen wusste Benny nicht, weshalb ihm auf einmal so kalt wurde. Dann fielen ihm seine eigenen Worte ein, vorhin am See. Einmal Schottland und zurück – was für ein blödsinniger Ausflug.
    Alasdair ließ ihn stehen. Elvis folgte ihm, ohne Benny anzusehen. Die Tür fiel zu.
    Ich war vollkommen allein am See, dachte Benny benommen. Es musste ein Zufall sein.
    Im Zimmer war es ganz still bis auf das Knistern des Feuers. Irgendwann drehte sich Benny um. Felix stand noch immer in derselben Haltung da und starrte ihn an. Erst als Benny ihn ansah, kam Leben in ihn. »Das dort ist deins«, sagte er eilig und wies auf das Bett am Fenster. »Und das daneben dein Schrank. Räum am besten gleich alles ein – warte, ich helfe dir. Es muss ordentlich sein, darauf legt man hier Wert. Mann, du machst Sachen.

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