Die Feen - Hallmann, M: Feen
ein.
Bennys Mund war so trocken, dass die Zunge am Gaumen klebte. Ohne nachzudenken, griff er nach der Tasse und wollte den kochend heißen Tee hinunterstürzen. Aber seine Hand gehorchte nicht, sie ließ sich nicht schließen. Gerade nahm er die andere Hand zu Hilfe, da fiel Gins Blick auf seine Hand. Sie erstarrte. »Was hast du da?«
Benny sah auf. »Was?«
»Was ist mit deiner Hand?«
»Mit meiner …« Er streckte sie aus und betrachtete sie. Sie fühlte sich kalt an und war vollkommen taub. Jetzt erst fiel ihm auf, dass die Haut seltsam aussah. Blass und mit dem Hauch violetter Flecken übersät, als hätte er sie zu lange in Eiswasser getaucht.
»Nicht an die Augen«, zischte sie, als er sie zum Gesicht hob.
»Ich wollte nicht …«
»Leg sie auf den Tisch.« Sie kam näher, packte sein Handgelenk und drückte die Hand nach unten. Da lag sie auf dem Tisch wie ein Tier, das Gin gefangen hatte, und alle drei starrten sie an. In Bennys Kehle stieg ein Lachen auf. Es kam ihm urkomisch vor, wie sie alle auf diese Hand starrten. Dann wurde ihm klar, dass es sich um seine eigene Hand handelte, und das Lachen verstopfte ihm den Hals.
»Was hast du damit angestellt?«, wollte sie wissen.
»Er hat ein Pferd angefasst«, kam Oliver ihm zuvor. Seine hellen Augen waren auf Gin geheftet. »Eben. Unten am See. Ein schwarzes Pferd. Er hat sich sehr eigenartig benommen.«
Kurz erwiderte sie seinen Blick, dann schaute sie weg. »Komm«, befahl sie und zog Benny auf die Beine, schob ihn zum Waschbecken und drehte den Hahn auf. Eisiges Wasser strömte über seine Hand. Er gab ein seltsames Geräusch von sich, als er es sah – Wasser!
»Durstig?« Gins Stimme war belegt.
Er nickte. Nur am Gelenk spürte er die Kälte, Handfläche und Finger waren gefühllos. Prüfend bewegte er sie. Sie bewegten sich ganz normal.
»Lass die Hand da«, befahl Gin. »Hörst du? Nicht aus dem Strahl nehmen. Nichts anfassen. Hast du die Hand irgendwo abgewischt?«
»An der Hose.«
Rasch untersuchte sie die Hose. Dann griff sie an seinen Gürtel.
»Hey!«, protestierte er.
»Lass die Hand da, habe ich gesagt.« Sie klang so bestimmt, dass er zuließ, dass sie seinen Gürtel öffnete, aber er lief knallrot an. Es wurde nicht besser, als sie die Hose herunterzog. »Aber …«, beschwerte er sich.
»Stell dich nicht so an. So ein Paar magere Jungsbeine ist wirklich nichts, was irgendwen aufregen würde.« Sie öffnete seine Schnürsenkel. »Raus aus den Schuhen.«
Er hob einen Fuß, und sie zog den Schuh aus. Dann den anderen. Streifte die Hose herunter, er trat über den Rand und stand barfuß und in Unterhose da. Zum Glück reichte seine Jacke bis über den Hintern. Er fühlte sich lächerlich, aber niemand lachte. Gin legte die Hose so sorgfältig beiseite, als könnte sie jede Sekunde explodieren, und Oliver betrachtete die Szene mit stummer Aufmerksamkeit.
»Hand dalassen«, erinnerte sie ihn streng und verschwand kurz in der Diele. Als sie zurückkehrte, hatte sie einen kleinen Tiegel dabei. Sie öffnete ihn, und ein scharfer Duft entströmte dem Gefäß.
Mit einem Ruck drehte sie den Wasserhahn zu, es gurgelte widerwillig, und der Wasserstrahl verebbte spuckend. »Zeig her.« Sie klatschte einen Batzen von dem Zeug aus dem Tiegel auf seine Hand und rieb ihn in die Haut ein. Ihre Berührung war fest, aber erstaunlich sanft.
»Na, hier ist es ja gemütlich«, sagte jemand von der Tür her.
Alle drei fuhren herum. Dort stand Leslie. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass wir noch Besuch erwarten«, sagte sie vorwurfsvoll zu Gin und musterte Benny. »Und dazu noch halb nackten.«
Flammend schoss ihm das Blut in den Kopf.
Leslie schnüffelte und legte den Kopf schief. »Alles in Ordnung?«
»Sicher«, erwiderte Gin verbissen. »So. Verteil den Rest selbst. Gründlich, auch zwischen den Fingern.« Sie schob Benny beiseite, rieb sich selbst die Hände mit dem Zeug ein und machte sich daran, seine Hose auszuspülen. Gehorsam verrieb Benny die klebrige Paste auf seiner Hand. Es kribbelte schmerzhaft, aber es war auszuhalten.
»So«, sagte Leslie munter. »Und was genau tut ihr hier?«
»Wir wollten zu dir«, erwiderte Oliver ebenso munter. »Und zwar, weil dein neuer Freund Felix verschwunden ist. Spurlos. Mitsamt einem Pferd.«
»Ist das so?«, fragte sie. Ihr Gesicht zeigte keine Regung.
»Allerdings. Und wir dachten uns, du weißt vielleicht etwas.«
»Vielleicht reitet er einfach gern nachts aus?«, schlug sie
Weitere Kostenlose Bücher