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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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zu verlaufen. Es platschte laut. Und fort war der Spuk. Sie waren allein. Spürbar allein.
    Bennys Beine zitterten. Tiefe Traurigkeit überkam ihn. »Warum hast du das getan?«, fuhr er Oliver an.
    Der packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn.
    »Warum?«, klagte Benny. Die Gelegenheit war fort und würde nicht zurückkehren. Welche Gelegenheit, war ihm nicht ganz klar, aber er spürte den Verlust, als hätte man ihm ein Bein ausgerissen. In seinen Ohren rauschte es. Er wollte verbluten. Er wollte sich auf dem Boden zusammenrollen und sterben. Er wollte zum Wasser stürzen und den See leertrinken, solchen Durst hatte er, solche Gier nach Wasser plagte ihn. Heftig versuchte er sich loszureißen. Oliver schüttelte ihn kräftiger. Wimmernd sackte Benny in sich zusammen. Fischgeruch. Kälte. Seine Hand, in die sich das herrlich kühle, glatte Maul geschmiegt hatte, kribbelte und wurde taub. Er verlor sich in seiner Traurigkeit und seinem Durst, seinem schrecklichen Durst, und vergaß, wo er war.
    »Benny!«, hörte er jemanden rufen. Die Stimme verlor sich in der Ferne. »Benny!«
    Er schluchzte auf. Alles verloren.
    »Benny, Mensch!«, rief die Stimme von eben auf Deutsch, sie hatte einen kräftigen bayrischen Akzent. »Komm zu dir! Du machst mir Angst. Du machst mir richtig Angst!«
    Oliver. Benny erinnerte sich an den Namen, ehe er ihn in Zusammenhang mit dem Gesicht bringen konnte, das ihn anstarrte. Oliver. Ein bleiches, gelbliches Gesicht, das über ihm schwebte. Dahinter ein Lichtkranz. Er blinzelte durch Tränen.
    »Scheiße. Bist du wieder da? Benny? Benny?«
    »Mir ist kalt«, maulte Benny und schob Oliver beiseite. Er saß auf dem Boden. Seine rechte Hand war klatschnass. Er wischte sie an der Hose ab und rappelte sich auf. Die Nachtluft war klar und eisig.
    »Bist du wieder okay?«, fragte Oliver. Seine Stimme zitterte.
    »Natürlich bin ich okay«, raunzte Benny. Er hatte noch immer Schwierigkeiten, klar zu sehen. Angestrengt stierte er in die Dunkelheit. »Wo ist sie?«
    »Wer?«
    »Penelope. Die Stute. Sie war doch eben noch da – wo ist sie hin?«
    »Da war keine Stute.«
    »Natürlich war da eine Stute. Da war doch ein Pferd. Ich erinnere mich deutlich, dass da ein Pferd war. Ich wollte es einfangen. Weshalb haben wir es nicht eingefangen?«
    »Das war keine Stute.« Olivers Stimme bebte. »Ich bin so scheißsicher, dass das kein Pferd war, dass ich darauf sofort mein ganzes Erbe verwetten würde. Und mein Leben. Und …«
    »Was soll es denn sonst gewesen sein?«, schnauzte Benny ihn an. Er starrte ins Dunkel, aber die Gestalt war fort. Die Stute. Penelope. Er war ganz allein.
    »Können wir bitte hier weg?«
    So dünn klang Olivers Stimme, so fremd, dass Benny darauf reagierte. Er nickte. Trotzdem musste Oliver ihn mit sich ziehen, damit er sich in Bewegung setzte. Die Traurigkeit schwappte noch immer durch seinen Körper.
    Oliver rannte fast und zog ihn mit sich. Sein Atem ging schnell. »Vermutlich hast du Recht«, sagte er, da bogen sie fast schon ins Dorf ein.
    »Womit?«
    »Penelope. Es muss Penelope gewesen sein, das da eben am See. Sie ist auf dem Weg nach Hause. Pferde finden ja angeblich ihren Stall. Sie ist unterwegs zu ihrem Stall.«
    Benny schwieg. Allmählich klärte sich sein Kopf wieder. Soweit er sich eben klären konnte, wenn man gerade einem Kelpie gegenübergestanden hatte. Klar – du hast gerade einen Kelpie getroffen, dachte er. Aber es klang nicht so lächerlich, wie er es sich gewünscht hätte. Die niedrigen Häuser und bewachsenen Steinmauern des Dorfs sahen anders aus als bei Tag, wie aus einer anderen Zeit, ihr Anblick bot keinen Schutz vor dem irrealen Gedanken, dass sie eben einem Geschöpf begegnet waren, das es nicht geben konnte. Das stumm daliegende Dorf sah aus, als entstamme es demselben Alptraum wie das Vieh am Wasser, das mit Sicherheit nicht Penelope gewesen war.
    Oliver holte tief Luft. »Lass uns zusehen, dass wir hier wegkommen, ja? Irgendwo ins Helle. Irgendwo rein. Du wolltest doch zu Leslie, oder?«
    Benny nickte. Oliver starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Wenn sie nicht aufmachen, dann, das schwöre ich, schlag ich ein Fenster ein. Ich bleibe keine Sekunde länger hier draußen.«
    Sie bogen um die Kurve, die Straße stieg an. Bennys Beine schmerzten bei jedem Schritt, als wären sie nicht zum Laufen gemacht. Sie kamen zu Gins Haus, Benny wusste nicht, wie man hineinkommen sollte, da war nur die Mauer, aber Oliver ging daran entlang,

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