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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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weiter.«
    Ein fast unmerkliches Rascheln in den Gräsern am See. Man hätte es für den Wind halten können, aber dafür klang es zu verstohlen. Langsam, aber unaufhaltsam sackten Benny sämtliche Eingeweide auf Kniehöhe und machten seine Beine schwer.
    »Vielleicht nur der Wind«, flüsterte er Oliver zu.
    »Oder der Kelpie«, wisperte Oliver zurück.
    Oder ein kleines Mädchen, das sich von einem Augenblick zum anderen auflöst und Felix solche Angst macht, dass er abhaut, dachte Benny. »Nicht witzig.«
    »War auch nicht so gemeint«, antwortete Oliver. Im Licht der Laterne, unter der sie gerade hindurchgingen, sah sein Gesicht quittengelb aus. »Ich …«
    Es platschte. Zweimal direkt hintereinander.
    Die beiden fuhren heftig zusammen und starrten ins Dunkel.
    Es schnaubte. Ganz nah, es fuhr Benny direkt durch die Knochen. Mit einem Mal sah er ganz deutlich vor seinem geistigen Auge, wie sich aus dem Wasser etwas herausschob, ein langer Kopf mit starren Augen und weit zurückgelegten Ohren. Glattes Fell, aus dem Wasser tropfte. Ein weiches Pferdemaul voll scharfer Zähne. Adrenalin schoss ihm durch den Leib, es war ganz egal, dass sein Verstand ihn verspottete, er hatte nicht mehr viel zu sagen. Lauf!, zischte eine Stimme ihm zu, trotz des Zischens hallte sie in seinem Kopf nach, als hätte jemand eine riesige Glocke angeschlagen. Lauf! Aber er konnte sich nicht rühren.
    Und dann tauchte eine Silhouette auf. Ein Pferd.
    Es zeichnete sich gegen das Wasser ab, gegen die schimmernde Schwärze des Sees, was unmöglich war, denn es war ebenso schwarz. Dennoch sah Benny es deutlich, vielleicht, weil das schwache Licht der Laterne auf nassem Fell schimmerte und die Konturen des Pferdeleibs nachzeichnete.
    »Das glaub ich nicht« hauchte Oliver.
    Die Erscheinung schüttelte die Mähne. Etwas stimmte nicht an den Konturen. Sie flossen mit der Dunkelheit zusammen, als sich das Wesen bewegte. Vor Angst verflüssigten sich Bennys Eingeweide endgültig, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Das Geschöpf kam näher heran. Wieder ein leises Schnauben, es klang wie eine Frage. Reglos standen die beiden Jungs im schwachen Lichtkreis der Laterne und sahen es herankommen.
    Benny streckte eine Hand aus; er konnte nicht anders. Mit einem Mal wusste er, dass dieses Geschöpf ihm nichts Böses wollte. In seiner Gestalt lag eine solche Schönheit, dass es nicht sein konnte. Er trat an den Rand des Lichtkreises und in die Dunkelheit. Reglos wartete das Pferd auf ihn. Ganz still stand es da. In den Augen spiegelte sich schwach das Licht, ob von der Laterne oder vom Mond oder aus einer anderen Quelle, vermochte Benny nicht zu sagen. Heftige Sehnsucht überfiel ihn. Sehnsucht danach, das weiche Fell zu berühren, danach, das Gesicht an den kräftigen Hals zu schmiegen, sich auf den Rücken dieses Geschöpfs zu schwingen. Wen interessierte Felix? Wen der Zirkel? Es gab wichtigere Dinge, viel wichtigere, und Benny stand ganz kurz davor, sie zu begreifen.
    Er streckte dem Tier die Hand entgegen. Es machte den Hals lang und schmiegte das Maul in die dargebotene Handfläche. Es war kalt und glatt. Ein Geruch wehte Benny an, als stünde er am Meer. Er atmete tief ein. Alles war gut.
    Ein Zittern durchlief die Gestalt, als habe jemand einen Felsbrocken ins Wasser geworfen. Es riss den Kopf hoch. Der Verlust der Berührung hinterließ eine tiefe Wunde in Benny. Sein ganzer Körper schmerzte, plötzliche Schwäche überkam ihn. Seine Ohren nahmen mit einem Mal wieder etwas wahr, und zwar Olivers Stimme. »Hau ab!«, hörte Benny ihn rufen. Ganz knapp an seinem Kopf flog etwas vorbei. Es hätte das Geschöpf treffen müssen, aber das tat es nicht, deutlich hörte er etwas im Wasser aufschlagen.
    Das Pferd zischte. Verstört wich Benny einen Schritt zurück. Der Bann war gebrochen. Der Geruch nach Meerwind verlor sich, auf einmal stank es nach fauligem Fisch. Die unnatürlichen Konturen, eben noch so deutlich, verflossen wieder mit der Dunkelheit. Mit einem Mal kam ihm das, was dort stand, nicht mehr vor wie ein Pferd. Noch immer sah er die Augen, in denen sich Licht spiegelte, und er hörte das Wesen zischen wie eine ganze Grube ernstlich erzürnter Schlangen. Dann packte ihn Oliver und riss ihn zurück auf den Weg. Keuchend standen sie da und starrten in die Dunkelheit. »Hau ab«, schrie Oliver, er klang, als wäre er außer sich vor Angst.
    Die Konturen des Pferdes lösten sich auf. Es musste eine optische Täuschung sein, denn sie schienen

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