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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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hin.
    Auf einer Seite grenzte die Weide an den See. Nah am Wasser grasten einige Kühe, im Mondlicht sah er die leuchtend roten Bänder nicht, die um ihre Schwänze gewunden waren.
    »Wenn das hier mein Traum ist«, sagte er, »dann wundere ich mich, weshalb der Weg nicht einfach am See entlangführt. Das fänd ich nämlich sehr viel besser – eine Laufstrecke einmal rings um den See.«
    »Stell dir nur vor«, erwiderte sie spöttisch, »hier leben Menschen, denen es relativ egal ist, ob jemand einmal um den See laufen kann oder nicht. Außerdem zerfasert er dort hinten und hat Ausläufer bis ins Moor, also ins Naturschutzgebiet. Und dort hat sowieso niemand etwas verloren.«
    »Ich glaube, ich träume dich ein bisschen netter.«
    »Versuch’s.« Sie grinste. »Viel Glück. Übrigens stotterst du viel weniger, wenn du glaubst, du würdest träumen.«
    »Ich stottere überhaupt nicht!«
    »Allerdings tust du das. Schau, da ist er ja.« Sie deutete voraus auf die kleine Herde Kühe. Mitten dazwischen erhob sich eine Gestalt, höher und feingliedriger als die zottigen Hochlandrinder.
    Unwillkürlich blieb Benny stehen. »Willst du mich an den Kelpie verfüttern?«
    Sie schnaubte belustigt. »Nein, den Gefallen tu ich Alasdair sicher nicht. Warte hier.«
    Gehorsam blieb er stehen und schaute zu, wie sie auf die Tiere zuging. Bei ihrem Näherkommen hob der Kelpie den schmalen Pferdekopf. Beim Gedanken daran, wie er gezischt hatte, nicht geschnaubt, sondern gezischt , als Oliver den Stein nach ihm geworfen hatte, erschauerte Benny. Plötzlich war er froh, dass er hier warten sollte, näher heran wollte er nicht, auch nicht im Traum. Wo steckte eigentlich der Wolfshund? Er schaute sich um, konnte ihn aber nicht entdecken.
    Leslie stand vor dem Kelpie, der den Kopf senkte, und strich ihm über die Nüstern. Ruhig und friedlich war es, die Kühe reagierten kaum auf den Besuch, nur zwei zuckten mit den Schwänzen, während sie weitergrasten. Der Himmel sah mittlerweile aus, als leuchte hinter einer dunkelblauen Kuppel aus Glas ein gleichmäßiges, schwaches Licht. Der See bestand noch immer aus zähem Öl und gluckerte am Ufer zwischen den flüsternden Gräsern. Ganz zart strich der Wind Benny durchs Haar, er war fast zum Stillstand gekommen.
    Leslie kam zurück. Der Kelpie schaute ihr hinterher, ohne ihr zu folgen, und senkte dann wieder den Kopf.
    »Und was …«, setzte Benny an.
    »Schscht. Wir haben es ein bisschen eilig. Setz dich hin, du bist zu groß.«
    »Was?«
    »Frag nicht, schließlich ist das ein Traum, der muss nicht logisch sein. Setz dich einfach hin.«
    Er setzte sich. Die geträumte Erde war eisig an seinem Hintern, die Kälte drang so ungebremst durch die dünne Stoffhose, dass er auf der Stelle festzufrieren glaubte.
    Leslie verrieb etwas auf ihren Fingern.
    »Was ist das? Kelpie-Schleim?«
    »Richtig.«
    »Davon bekommt man taube Hände.«
    »Ich nicht. Und du auch nicht mehr lange. Schau mich an.«
    Er schaute sie an. Ihr schiefes Gesicht war angespannt, die Augen riesig. »Verzeih mir«, bat sie. »Ich hoffe, ich mache das Richtige. Ich meine es jedenfalls gut. Lass die Augen offen, ja? Lass sie offen.«
    Er ließ die Augen offen. Sie hob die Hände, und dann drückte sie beide Daumen an seine Augenwinkel und schmierte kühlen Schleim hinein.
    Zuerst spürte er gar nichts. Dann schoss ein brennender, heißer, alles versengender Schmerz durch die Netzhaut, wie ein Blitz, so grell und weiß und heiß und zugleich eiskalt, dass er sich mit aller Wucht durch den Sehnerv direkt ins Gehirn brannte. Ob er schrie, wusste Benny nicht. Er hörte nichts mehr über dem Tosen und Wüten des Schmerzes. Er sah auch nichts mehr. Er war blind. Kurz glaubte er, sie habe ihm die Augen ausgestochen. Vermutlich schrie er doch.
    »Offen lassen«, drang ihre Stimme durch den Schmerz. »Mach die Augen auf. Mach sie auf, verdammt! Mensch, tu doch einfach, was ich dir sage.«
    Es ging nicht. Es tat zu weh. Außerdem wusste er nicht, wie er die Augen öffnen sollte. Waren sie überhaupt geschlossen? Weshalb sah er dann dieses grelle Licht? Jetzt hörte er sich stöhnen, nicht schreien, aber stöhnen, ächzen, es war ein schreckliches Geräusch.
    »Augen auf! Benny, bitte. Mach die Augen auf. Dann ist es vorbei.«
    Er versuchte es, er versuchte es wirklich. Aber die Lider schienen zusammenzukleben.
    Etwas berührte seine Wange, ganz sanft. »Mach die Augen auf«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Da begriff er wieder, wie es ging. Er

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