Die Feen - Hallmann, M: Feen
darin, in einem Winkel zu sitzen und zu lauschen. Warum durfte er nicht machen, was er am besten konnte? Das war gemein. Am liebsten hätte er mit dem Fuß aufgestampft, aber dafür hatte er keine Zeit. Armer Sil! Im Dahinhasten schlang er die langen dünnen Arme um sich. Armerarmer Sil. So tapfer!
Hinaus wollte Schlupp-Schlupp, und hinaus folgte ihm Sil. Es ging über einen krautigen Platz und vorbei an hohen Mauern und dann hinaushinaus. Das war nicht Sils Welt, er mochte es gern behaglich, nicht draußen, er mochte Wärme und Feuer und Essen, nicht Wind. Aber Schlupp-Schlupp mochte Wind, das war ganz eindeutig, und der Wind mochte ihn auch. Es dauerte nur einige Schritte, da griff der Wind nach ihm, und der Schatten musste seinen Griff um Schlupp-Schlupps Brust lockern, weil sie sich so weit dehnte. Sil beobachtete, wie der Großfuß stehen blieb und tief durchatmete. Dem Schatten gefiel das nicht, er zog sich wieder zusammen und zuckte unruhig. Schlupp-Schlupp bückte sich und band die schönen Schuhbänder zu. Und dann stand er auf und lief los. Ungläubig sah Sil, wie er lief. Nicht wie ein Großfuß, nicht stolperig, nicht krachkrach ein Fuß nach dem anderen, sondern ganz leicht. Und er sah, wie sich jubelnde Windgeister aus der Verborgenheit lösten, um ihn zu begleiten. Einer von ihnen zerrte an dem Schatten, fuhr unter ihn und biss spielerisch nach ihm. Ein anderer fuhr Schlupp-Schlupp durchs Haar und schrie, ein lang anhaltender Schrei, der durchs Tal von Glenshee hallte. Sie stoben mit ihm davon, mit diesem langsamen Großfuß, der nicht mit ihnen mithalten konnte, sie sausten voran und kehrten wieder zurück, ihre Gegenwart machte seine Füße leichter. Sil kam nicht hinterher. Keuchend rannte er, vergaß die Verborgenheit, rannterannte, aber Schlupp-Schlupp entkam. Und er entkam nicht nur Sil, sondern auch dem Schatten. Noch nicht mit Zorn vollgesogen, wehrte er sich, aber dann fiel er ab, gerade als Sil aufgab und mit dem dummen Rennen aufhörte. Wie eins der schleimigen Geschöpfe aus dem Moor, die so gern Blut tranken, fiel der Schatten ab, wand sich am Boden und zischte.
Scheu näherte sich Sil. Der Schatten hatte keine Augen. Trotzdem bemerkte er Sil, richtete sich auf wie ein Wurm und spie ihm eine Wolke aus Zorn entgegen. Sil war nicht zornig, deshalb blieb nichts davon an ihm haften. Weil er vorsichtig sein sollte, hielt er dennoch Abstand. Das war besser so. Im Nebel, aus dem der Schatten war, sah er etwas sich regen, eine Gestalt, noch ganz schwach, aber eindeutig eine Gestalt. Der Schatten wollte Gestalt sein. Ganz versunken hockte sich Sil hin und beobachtete. Wenn der Schatten Gestalt wurde, dann würde es eine hässliche Gestalt sein. Vielleicht auch gefährlich. Er machte sich bereit, zwischen zwei Lidschlägen zu verschwinden.
Aber der Schatten wurde nicht Gestalt. Ganz plötzlich verloren sich die schwachen, sich windenden Konturen, und der Nebel verwehte in einem kräftigen Windstoß. Der Schatten war fort. Er kroch nicht zurück zur Burg, wie Sil geglaubt hatte, sondern verging. Gutgut! Stolz, als hätte er selbst dafür gesorgt, dass es so war, richtete er sich auf. Da fiel ihm ein, dass er Schlupp-Schlupp verloren hatte.
Unschlüssig stand er da. Was jetzt? Sollte er Schlupp-Schlupp suchen? Das war nicht gut, er war viel zu schnell. Er könnte auf ihn warten. Aber im Warten war er nicht sehr gut, manchmal vergaß er mittendrin, was zu tun war. Vielleicht sollte er berichten gehen. Aber es gab weit und breit kein Feuer, in das er schlüpfen konnte, und der Weg zurück zur Burg war beschwerlich.
Tief seufzte Sil auf und musste dann darüber kichern. Das zerbissene Kichern von vorhin kam mit heraus, es war eine Menge Kichern. Riesengroß war die Versuchung, einfach weiterzukichern und zu vergessen, was er tun sollte. Es gehörte sich nicht für einen Pixie, etwas tun zu sollen. Aber seine Empörung darüber, etwas tun zu sollen, war nicht allein in ihm. Da war auch noch die Erinnerung an sanften süßen Brei. Vielleicht sogar warm. Warmer Brei, der auf ihn wartete. Und da war der Gedanke an den Feuersänger. Den Feuersänger hatte Sil gern. Manchmal sogar gerngern. Fast so gerngern wie heißen Brei. Er wartete auf ihn, wartete auf Sils Bericht. Stolz warf er sich in die schmale Brust. Empörung und Stolz und Brei rangen miteinander, eine Weile lief Sil im Kreis, immer schneller. Dann gewann der Stolz oder vielleicht auch der Brei, und er machte sich auf kleinen Füßen zurück
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