Die Feen - Hallmann, M: Feen
auf den Weg in die Burg, um zu erzählen, was er beobachtet hatte.
8 Das Patengericht
8 DAS PATENGERICHT
A ls Benny mit ausgreifenden Schritten das Kaminzimmer betrat, war Elvis noch da. Zu laufen hatte ihm gut getan, fast wäre es mit ihm durchgegangen, und er hätte geschaut, ob man den ganzen See umrunden konnte, aber in der Nähe des Dorfs hatte ihn ein riesiger Hund entdeckt und war ihm ein Stück gefolgt. Ihn anzulocken und die dicken grauen Locken hinter den Schlappohren zu streicheln, hatte Benny wieder auf den Boden gebracht, und er hatte gemerkt, dass er nicht mehr wütend war. Verwirrt, ja, und voller Fragen, auf die er eigentlich keine Antworten haben wollte, aber der Zorn war abgeklungen, als habe der Wind ihn fortgeblasen. Auf dem Rückweg hatte er es nicht eilig gehabt, der Hund war ihm bis zur Brücke hinterhergetrottet, und als er deutlich machte, dass er keine Pfote auf die Brücke zu setzen gedachte und sein Revier hier zu Ende war, hatten sie noch eine Weile zusammen dagesessen, Benny auf einem Stein, der auf einer Seite von samtigem Moos überzogen war, der Hund dicht neben ihm, und Benny hatte bemerkt, wie schön man es hier finden konnte, wenn man nicht entschlossen war, dass es einen ankotzte. Wirklich schön war es, fast zu sehr, alles voll samtiger Farben, samtbraun und samtgrau und samtgrün, alle Steine überwuchert, überall Leben, selbst die Schatten von Steinen, Bäumen, Gräsern waren samtschwarz, und die Luft roch, als wäre sie gerade erst erfunden worden.
Er wäre sicher noch länger geblieben, hätte sich nicht der Hund ganz unvermittelt verabschiedet und wäre den Weg zum Dorf wieder hinaufgetrottet, das schwere graue Fell regenfeucht.
Im Kaminzimmer wartete nicht nur Elvis Bloomsfield. Neben ihm saß ein anderer Junge, und auf dem Sofa gegenüber kauerte Cooper.
»Oh«, sagte Benny.
»Schön, dass du kommst«, sagte Elvis. Vermutlich war es ironisch gemeint, aber seiner Stimme fehlte jeglicher Unterton, der es deutlich gemacht hätte. Er wies auf das Sofa, auf dem bereits Cooper saß. »Setz dich doch.«
Benny setzte sich. Die beiden älteren Jungs musterten ihn. Der Typ neben Elvis war drahtig und trommelte mit kleinem Finger und Ringfinger einer Hand unrhythmisch auf seinen Oberschenkel, es sah aus, als merke er selbst es gar nicht. Elvis betrachtete Benny so ratlos, als wäre er etwas Unidentifizierbares, das ihm bei einem Strandspaziergang vor die Füße gespült worden war und nicht besonders gut roch. Wenn das hier das von Oliver angekündigte Patengericht war, dann musste Benny offen zugeben, dass er mehr erwartet hatte und ein wenig enttäuscht war.
»Ziemlich unangenehmer Einstand«, sagte Elvis schließlich und seufzte. »Na gut. Eine Frage vorweg: Willst du überhaupt bleiben?«
Erstaunt blickte Benny auf – fast synchron mit Cooper. Elvis’ blasse Augen ruhten auf ihm, weder neugierig noch forschend noch mit irgendeinem anderen erkennbaren Ausdruck. Er wartete einfach nur.
»Hm«, machte Benny etwas verunsichert. »Ja. Schon. Also – warum nicht.«
Cooper schnaubte. Die beiden Paten wechselten einen Blick.
»Warum nicht«, wiederholte der drahtige Typ. »Na, gratuliere.« Er lachte leise. »Du hast vielleicht ein Glück mit deinen Schützlingen, Bloomsfield. Erst ein Geistesgestörter, jetzt ein jähzorniger Unentschlossener.« Sein Lachen klang nicht boshaft, sondern belustigt. Elvis massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
»Stalldienst habt ihr bekommen, ja?«, fragte er.
Benny nickte.
»Täglich. Zwei Monate lang.« Elvis schaute von ihm zu Cooper.
Beide nickten.
»Scheiße«, murmelte Elvis. »Das ist schon nicht ohne.« Er warf einen Blick auf ein paar Zettel, die vor ihm lagen. »Du wirst viel Arbeit haben, um im Unterricht mitzukommen. Ich nehme an, deine Leistungen auf deiner alten Schule waren nicht das Beste, was du draufhast, ja? Du hast recht viel gefehlt.«
Benny runzelte die Stirn. »Meine Leistungen auf meiner alten … woher …«
»Als dein Pate habe ich Einsicht in deine Akte«, versetzte Elvis, zum ersten Mal wirkte er ein wenig ungeduldig.
»Einsicht in meine Akte«, wiederholte Benny. » Du hast Einsicht in meine Akte?«
»Richtig. Hast du damit ein Problem?«
Benny blinzelte. Elvis klang, als wäre das eine saublöde Frage. Und vermutlich war es das auch. Natürlich hatte ein anderer Schüler Einsicht in Bennys Akte, warum auch nicht? Privatsphäre wurde allgemein schwer überschätzt. Väter
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