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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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brauchst, mir ist nur aufgefallen …«
    »Mister Reutter, möchten Sie uns Ihre Deutung des Raben noch einmal näher ausführen?«, erkundigte sich Miss Teagle.
    »Nein«, erwiderte Benny. »Im Augenblick nicht.«
    »Bedauerlich. Falls Sie es sich anders überlegen, lassen Sie es mich wissen.« Ihr Blick war nicht unfreundlich. Cooper hingegen grinste in sich hinein.
    Wenn du noch eins auf die Schnauze willst, lass es mich wissen, dachte Benny und wünschte sich, er besäße die Gabe der Gedankenübertragung. Es wäre zu schön gewesen, wenn Cooper als Einziger seine Worte gehört hätte, laut wie eine dröhnende Kirchenglocke in seinem Kopf, unhörbar für alle anderen. Für den Rest der Stunde vertiefte er sich in unterschiedliche Variationen dieser Vorstellung, die allesamt nicht gut für Cooper ausgingen.
    In Geschichte und Politik beschäftigten sie sich anderthalb Stunden lang mit aktuellen Nachrichten, was Benny zu seiner Überraschung ganz interessant fand. Mister Ross, ihr Klassenlehrer, war deutlich jünger als sein Vater und hatte ein Loch in der Augenbraue, als hätte er vor kurzem noch ein Piercing getragen. Er lief etwas breitbeinig, als würde er nach dem Unterricht gleich durch das Fenster auf ein bereitstehendes Motorrad springen und an einen deutlich cooleren Ort fahren als Glen, und begrüßte Benny kurz, aber herzlich in der Klasse. Zwar hielt sich Benny in der Stunde sehr zurück, aber seine Gedanken schweiften kaum ab.
    Beim Mittagessen bekam er einen Brief. Offenbar gab es nicht nur einen Stall-, sondern auch einen Briefdienst, denn zwei eifrige Drittklässler namens Timmy Parker und Irgendwas Woodrow verteilten die Post unter fröhlichem Gebrüll.
    »Parker«, flehte Patrick Callahan, als Timmy Parker den Brief bei Benny ablieferte, und hielt ihn am Ärmel fest. »Komm, schau nochmal, du musst was für mich haben!«
    »Ehrlich nicht, Sir«, versicherte ihm Parker, ein flinker, etwas stupsnasiger Bengel mit sommersprossenübersätem Gesicht, blätterte den dünnen Stapel aber sicherheitshalber noch einmal durch. »Nichts dabei!«
    »Sie hat dich vergessen, Callahan«, feixte Gil Darcy.
    »Nein«, jammerte Callahan und ließ theatralisch den Kopf auf die Arme sinken. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wir waren so glücklich !«
    »Drei Tage lang«, sagte Oliver und hieb ihm mitfühlend auf den Rücken. »Das ist immerhin eine halbe Ewigkeit. Bewahre die Erinnerung in deinem feurigen irischen Herzen.«
    »Sie wird schreiben«, versicherte ihm Callahan. »Wart’s ab, morgen kommen drei Briefe auf einmal. Oder vier. Ich spüre doch, wie sie an mich denkt! Das ist eine Verbindung, die kannst du dir gar nicht vorstellen! Es ist … schicksalhaft.«
    »So wie Jane Heathrow letztes Jahr?«, spottete Richard.
    »Ach.« Callahan winkte ab. »Da waren wir noch Kinder. Das zählt nicht. Janie, die süße Janie, die hab ich längst vergessen. Aber Meagan …« Er seufzte. »Wenn sie morgen nicht geschrieben hat, werde ich wohl meinen Kummer in Orangensaft und schwarzem Tee ertränken müssen. Mangels Whisky. Eine Schande. Gänzlich ohne Stil. Wenn sie mich vergessen hat, ist das mein Untergang, das sage ich dir, du kannst ruhig spotten, aber du wirst schon sehen.«
    Ein paar Jungs kicherten vor sich hin, als er trübselig mit dem Fingernagel gegen sein leeres Glas klopfte.
    »Und wer schreibt dir?«, erkundigte sich Richard bei Benny. »Etwa auch ein Mädchen?«
    »Mein Vater«, brummte Benny und ließ den Brief schnell in der tiefen Brusttasche der Schuluniform verschwinden.
    »Willst du den Brief nicht lesen?«
    »Nein. Nicht jetzt.«
    »Vielleicht schickt er ja Geld?« Richard grinste. »Meine Eltern haben sich im ersten Jahr auch nicht an die Taschengeldbegrenzung gehalten. Ständig hier noch ein paar Pfund, da noch ein paar Pfund – sie müssen sich daran gewöhnen, dass man nicht mehr zu Hause ist, weißt du? Sie schauen ständig auf deinen leeren Stuhl, schleichen um dein leeres Zimmer rum und fragen sich, ob es dir wohl gut geht in der Ferne. Das muss man ausnutzen. Sobald sie sich daran gewöhnt haben, funktioniert es nicht mehr.«
    Bestätigend nickte Oliver. »Eltern vergessen schnell. Erst der reine Jammer, und dann sagen sie auf einmal, was hast du denn, dir geht es doch gut, sei dankbar für die Chance, wir zahlen schließlich genug. Treuloses Pack. Du musst ihn melken, solange es geht!«
    Zweifelnd holte Benny den Brief wieder heraus und betrachtete ihn. »Ist in Inverness

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