Die Feen - Hallmann, M: Feen

des Erstklässlers auf, der neben ihm saß, aber der Zwerg schaute rasch weg, als Benny den Blick erwiderte und die Brauen hob.
    Plötzlich fragte er sich, ob es wohl gern gesehen war, wenn er herauszufinden versuchte, was genau mit Will geschehen war. Andererseits würde er ohnehin nichts finden, das nicht bereits an die Öffentlichkeit gedrungen war. Es war erst der Anfang der Recherche, von der er noch nicht wusste, wie weit er sie überhaupt treiben wollte. Nur dass er wissen wollte, was passiert war, so viel war ihm klar. Und dass er vor wenigen Sekunden ein Kichern und einen Schrei gehört hatte, machte es nicht weniger dringlich.
    Falls Will verrückt geworden war, weil er Stimmen gehört hatte, dann musste Benny wissen, wie es angefangen hatte … ob es ähnlich gewesen war wie bei ihm selbst. Zwar ging er nicht davon aus, dass Wills Verrücktheit im Schrank gelauert und ihn angesprungen hatte, als er ihn zum ersten Mal öffnete, sozusagen eine ansteckende Verrücktheit, die von einem Schüler zum anderen übersprang, aber dass etwas nicht ganz stimmte, lag auf der Hand. Stimmen, die durch Gänge wehten, der Zirkel, Ned Finley, der nachts ins Moor lief, und Alasdair MacGregor, der sich mit siebzehn Jahren aufspielte, als sei er der Schulleiter, nicht Direktorin Rutherford … und dann war da noch die Sache an seinem ersten Tag auf Glen. Einmal Schottland und zurück dauert länger als gedacht, nicht wahr?
    Benny erinnerte sich genau, dass er allein am See gewesen war, Alasdair konnte seine Worte nicht gehört haben. Und doch hatte er sie zitiert – wortwörtlich. Hatte Benny sie eigentlich auf Englisch gesagt oder auf Deutsch? Er wusste es nicht mehr genau. Aber wenn er Deutsch gesprochen hatte, war es noch entschieden seltsamer. Nein, er wollte wissen, was hier gespielt wurde, und William Davenport war sein erster – und, wenn er ehrlich war, im Grunde sein einziger – Anhaltspunkt, jedenfalls dann, wenn er nicht direkt jemanden fragen wollte. Irgendwo musste er schließlich anfangen.
    Er warf dem Erstklässler, der ihn eben gemustert hatte, einen misstrauischen Blick zu – er erinnerte sich daran, wie er ihn in dem Haufen um Alasdair gesehen hatte, andächtig lauschend. Doch der andere schaute nicht auf und interessierte sich augenscheinlich nicht mehr für Benny. Gut.
    Er versuchte es mit weiteren Suchbegriffen. W. Davenport Internat Schottland. Nichts Brauchbares. Schüler Glenshee Castle Verstand verloren. Er fand einen Bericht über Glenshee Castle, in dem die Schule gerühmt wurde – kein Wort über William. Skandal Internat Schottland. Das ergab einige Treffer von einem Artikel über Prinz Charles bis hin zum Papst, außerdem jede Menge Buchtipps. Verärgert versuchte er es weiter und wünschte, Erik wäre hier. Erik hatte das Talent, alles auf Anhieb zu ergoogeln.
    Er runzelte die Stirn. Erik. Dem er gerade einen Brief geschickt hatte. Einen Brief, handgeschrieben und per Post unterwegs. Und hier saß er vor einem Computer mit Internetzugang. Er öffnete GMX und gab seine Mailadresse und das Passwort ein. Es war nichts gesperrt. Leise aufstöhnend rieb er sich die Stirn, gab Eriks Mailadresse ein und schrieb:
    So. Vorhin habe ich einen Brief an dich abgeschickt. Und jetzt sitz ich hier und frag mich: Warum hab ich nicht einfach gemailt? Scheiße. Diese alte Burg und die komischen Leute und Schottland und überhaupt zu viel Unterricht, irgendwie bin ich nicht eine Sekunde lang auf die Idee gekommen. Einen BRIEF ! Ja, lach dich ruhig kaputt. Egal.
    Ich brauche mal deine Hilfe. Und zwar passieren hier komische Dinge. Ich glaube, ein paar Leute haben ernsthaft einen an der Waffel. Hab dir im Brief schon was darüber geschrieben, aber den hast du ja noch nicht, ha ha! Hier ist letzten Sommer ein Typ durchgedreht, der hat wohl angefangen zu schreien und hat damit nicht mehr aufgehört. Außerdem gibt es natürlich eine große fiese Geheimgesellschaft oder so, muss ja wohl so sein auf einem Internat. Der Zirkel. Und … hm. Klingt dämlich. Aber da ist wirklich irgendwas komisch. Jetzt glaubst du bestimmt, ich spinne. Tu ich vielleicht auch. Aber glaub es oder nicht, ich glaube, ich hab mich angesteckt. Mit dem Spinnen. Ich habe nämlich Stimmen gehört, eine jedenfalls, die nicht da war. Hier reden Leute mit anderen, die nicht da sind, ein Typ ist fast im Moor verschwunden, ein anderer dreht durch … irgendwas stimmt hier nicht. Ich will damit nicht sagen, dass ich auf einmal an Geister glaube, aber