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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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immer leichter, die Mitglieder des Zirkels zu erkennen, obwohl sie keine speziellen Abzeichen trugen und sich auch sonst äußerlich nicht von den anderen Schülern unterschieden. Bis auf ihn schien jeder längst zu wissen, wer dazugehörte. Wenn die Zwerge aus der ersten und zweiten Klasse es allzu übermütig trieben, konnte es sein, dass auch die Gegenwart eines älteren Schülers sie nicht zur Räson brachte. Tauchte jedoch Arthur Grey irgendwo am Horizont auf, fiel ihnen sofort wieder ein, wie man sich benahm. Auch Sandy Carter, der Blonde, der ihm Papier und Stift für den Brief an Erik geliehen hatte, brauchte kein Wort zu sagen, damit man respektvoll tat, was er wollte. Dabei war er alles andere als unfreundlich. Im Gegenteil. Er war in Bennys gemischtem Mathekurs am Wochenende, verstand sich recht gut mit Daniel Green, mit dem er sich vorzugsweise in etwas überzogenen mathematischen Gleichnissen unterhielt, und war immer hilfsbereit.
    Eine Weile fragte sich Benny sogar, ob nicht das System auf Glen eigentlich recht gut funktionierte. Jeder Schüler hatte in seinem Paten einen Ansprechpartner – weil die oberen Jahrgänge mitunter doch etwas ausdünnten, teilten sich hin und wieder mehrere Schüler denselben –, das Unterrichtspensum war zwar anspruchsvoll, aber schaffbar, und der Zirkel, nicht die Lehrer, sorgte für die Aufrechterhaltung der seltsamen Ordnung. Dadurch blieb das Verhältnis zu den Lehrern angenehm entspannt, fast neutral.
    Zwar war Benny weit davon entfernt, sich auf Glen wirklich wohlzufühlen, zumal sich herausstellte, dass Callahan Recht gehabt hatte und die feindselige Stimmung zwischen Oliver und Richard wie ein schleichendes Gift die Atmosphäre verseuchte, weil die beiden sich nicht scheuten, ihren Scheiß den anderen aufzubürden und sie mit hineinzuziehen, wo immer es ging. Aber er stellte fest, dass es sich hier einigermaßen aushalten ließ. Wären nur die Nächte nicht gewesen, in denen er oft genug von dem Gefühl aufwachte, es säße ihm etwas auf der Brust und nähme ihm den Atem, und die Träume, die ihn jede Nacht ins Moor zerrten und zwischen verwesenden Leichen ertränkten.
    Aber ansonsten konzentrierte er sich ganz darauf, für Spanisch zu lernen, bis ihm der müde Kopf qualmte, und in den anderen eher schwachen Fächern aufzuholen, um den Anschluss zu bekommen. Zweimal die Woche trainierte er im Unterricht auf der Aschenbahn, und fast jeden Tag lief er, manchmal mit Neill Graham, meistens allein. Einmal sah er dabei Leslie auf der Mauer sitzen, als er an dem kleinen Haus vorübertrabte, das, wie er inzwischen wusste, Gin McGowan gehörte, der Kassiererin. Aber Leslie schaute an ihm vorbei, und er sprach sie nicht an.
    Seine wilde Entschlossenheit, herauszubekommen, was William Davenport zugestoßen war, war zu dumpfer Neugier verpufft. Erik hatte ihm geantwortet, sich über den übervollen Stundenplan entsetzt, erstaunlich viel über Nicole S. geschrieben, die knapp versetzt worden war, und beschämt gestanden, dass auch er über Davenport nichts finden konnte. Dafür fand er alles »sehr strange« und wünschte, er wäre dabei. Bennys Vater hatte einen zweiten Brief geschrieben, diesmal sehr kurz, in dem er fragte, ob Benny über Weihnachten nach Hause kommen würde. Dem Brief lag ein Flugticket bei, ausgestellt auf den ersten Ferientag – Benny zerriss es und warf es mitsamt dem Brief ins Feuer.
    Es gab keine seltsamen akustischen Phänomene mehr, er hörte keine Stimmen, die nicht eindeutig jemandem in der Nähe zuzuordnen waren, und einmal sprach Elvis ihn an und sagte, er sei froh, wie sich Benny entwickeln würde, er höre von den Lehrern überwiegend Gutes. Es lief ganz gut. Jedenfalls tagsüber.
    Nur die Nächte waren fürchterlich, oft wachte er auf und glaubte zu ersticken, und in manchen Nächten war es, als reihe sich ein Alptraum an den anderen. Vielleicht lag es auch daran, dass er die Sache mit William Davenport nicht weiter verfolgte: Ihm fehlte die Energie. Tagsüber arbeitete er, und nachts trat er immer und immer wieder die Reise durch eine Alptraumlandschaft aus stinkendem Morast, niedrigem Gestrüpp und unwegsamen Pfaden an, die jedes Mal damit endete, dass er in irgendeinem schwarzen, zähen Schlammloch versank und im Versinken begriff, dass das gesamte Moor aus den verflüssigten Überresten von Leichen bestand. Zwischen diesen Nächten und den Tagen rieb er sich auf, segelte benommen von Dämmerung zu Dämmerung und war froh, es trotzdem alles

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