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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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dass wir nichts für das können, was uns zugestoßen ist.
    Ich habe Dir ein wenig Geld beigelegt, das Taschengeld auf Glenshee Castle kommt mir doch sehr niedrig vor. Falls Du es nicht brauchst, leg es beiseite, für später. Wenn Du etwas brauchst, sag mir Bescheid. Ich liebe Dich sehr.
    Dein Vater
    Benny starrte auf die paar Zeilen hinunter. Zwei Stunden, hämmerte es in seinem Kopf. Das war es also, was sein Vater in zwei Stunden zuwege brachte. Zwei Stunden, um eine halbe DIN - A 4-Seite mit seiner ordentlichen, gestochen scharfen Handschrift zu bedecken. Vermutlich hatte er fünf Minuten dafür gebraucht und danach noch einen Kaffee getrunken. Aber hey – immerhin hatte er Geld beigelegt. Und wenn Benny etwas brauchte, dann sollte er sich doch einfach melden!
    Ekel stieg in ihm auf, so tief und umfassend, dass er sich davon schlimmer besudelt fühlte als von dem geträumten Wasser voller geträumter Leichen. Als hätte jemand einen randvollen Bottich mit Jauche und Schweinedreck über ihm ausgeschüttet. Was ich brauche, dachte er, ist meine Mutter zurück. Und einen anderen Vater. Schick mir beides doch bitte so schnell wie möglich per Post.
    Er stand auf, hockte sich vor den Kamin, riss den Brief in der Mitte durch und warf beide Hälften ins Feuer. Danach den Umschlag. Dann die drei Zwanzig-Pfund-Noten.
    Langsam rieb er die Hände an der Schlafanzughose, als könne er sie so von der Erinnerung, diesen Brief berührt zu haben, befreien. Ihm war eiskalt, seine Kiefer waren verkrampft, die Gedanken klar, scharf und unbarmherzig. Er begriff, dass er nicht sehr viel zu verlieren hatte. Seine Mutter war tot, sein Vater nutzlos, der Kater Jabba alt, und Erik würde sich bald neue Freunde suchen. Nein, er hatte nichts zu verlieren. Das war ein klarer, schmerzlicher und zugleich befreiender Gedanke. Er spürte, wie sich sein Rücken straffte. Sie konnten ihn mal. Sie alle. Wenn es nach ihm ging, konnte die Welt zum Teufel gehen. Wenn sie alle im Moor ersoffen, sollte ihm das recht sein.
    Ihm war, als hörte er etwas rascheln. Wie Ratten, die sich in den dunklen Winkeln des Raums bewegten. Das Geräusch war überall, verstohlen, fast unhörbar, vermutlich nur das Rauschen des eigenen Bluts in seinen Ohren. Ihm war, als wickle sich Dunkelheit um ihn, schwarzer Nebel, dringe in seinen Leib, um ihn ganz anzufüllen. Trostlosigkeit. Vollkommene Trostlosigkeit. Er entblößte die Zähne. Sollte ihm recht sein. Er brauchte keinen Trost. Er brauchte nur eins – seine Ruhe. Verächtlich spuckte er ins Feuer, hörte es bedauerlich schwach aufzischen, ein spektakulärerer Effekt hätte besser zu seiner Stimmung gepasst.
    Na?, hörte er seine Mutter fragen, die Stimme verriet etwas zwischen Mitgefühl und Belustigung. Ist die Welt heute bös zu dir gewesen?
    Wenn sein Vater das je zu ihm gesagt hätte, wäre er ihm ins Gesicht gesprungen. Bei ihr hatte er lachen müssen. Meistens. Jetzt lachte er nicht. Das Echo ihrer Stimme in seinem Kopf war so klar, als hätte sie wirklich gesprochen.
    »Du bist tot«, sagte er zu ihr. »Also hau ab.«
    Die Dunkelheit in ihm wallte auf, als ginge Wind durch dunklen Nebel. Benny schloss die Augen. Ihm war alles egal. Für diesen kostbaren Moment war ihm alles egal.

17 Ruhe vor dem Sturm
    17 RUHE VOR DEM STURM
    E s war keine bewusste Entscheidung, dass Benny den Ratschlag von Miss Fish befolgte und eine ganze Weile die Füße stillhielt. Vielmehr ergab es sich einfach so. Ein paarmal dachte er daran, mit Felix zu sprechen, aber der lief ihm nie über den Weg, und immer, wenn Benny fast mit dem Essen fertig war und sich umschaute, huschte Felix gerade durch die Tür des Speisesaals. Mit der Zeit wurde ihm klar, dass er ihm absichtlich auswich. Er nahm es mit Gleichmut. Er hätte sich ohnehin albern gefühlt, wenn er Felix auf die Sache mit Leslie angesprochen hätte.
    Richard und Oliver sprachen kaum noch miteinander. Übereinander allerdings sehr wohl. In Wirtschaftslehre entwickelte sich ein harter Konkurrenzkampf zwischen Richards Rosaroten Panthern und Olivers Firma Transformers , der darin mündete, dass die beiden alle anderen Firmen aus den Augen verloren und sich ganz darauf konzentrierten, den jeweils anderen auszustechen.
    Mister Ross sagte nichts dazu, er beobachtete nur aufmerksam. Benny nahm sich ein Beispiel, schwieg viel, lernte noch mehr und beobachtete, was ringsum geschah. Ihm fielen einige Dinge auf, die er bis dahin übersehen hatte. Beispielsweise fand er es mit der Zeit

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