Die Feen - Hallmann, M: Feen
ganz gut hinzubekommen. Vielleicht hätte er es sogar auf sich beruhen lassen.
Aber dann passierte die Sache mit Felix.
Zweites Buch
ZWEITES BUCH
18 Angst
18 ANGST
A m liebsten hätte sich Felix in Gins Haus verkrochen und wäre dort geblieben, bis er seinen Abschluss hatte und wieder nach Hause konnte. Der Anblick von Glenshee Castle erfüllte ihn mit solchem Schrecken, dass ihm der Mund trocken wurde und die Beine fast den Dienst versagten, wann immer er die Burg verließ und sich ihr auf dem Rückweg wieder nähern musste. Der Anblick des Sees mindestens ebenso sehr. Er wünschte, er wüsste nicht, was sich darin verbarg, und aus dem Fenster seines Schlafraums schaute er schon lange nicht mehr. Von dort aus sah man aufs Moor hinaus. Ja, das eigentliche Moor lag hinter den Sportanlagen, aber für Felix war alles das Moor , was sich hinter den Grenzen befand, bis zu denen den Schülern von Glen das Betreten MacGregorschen Grundes erlaubt war. Moor. Sumpf. Feenland. Die Schönheit des Tals machte ihn krank. Menschen hatten hier nichts verloren; jeder Schritt, den er tat, kam ihm vor wie ein Verbrechen. Der einzige Ort, an dem es ihm besser ging, war Gins Haus. Es war so klein, so übersichtlich und sauber. Da gab es die uralten Möbel ihrer Tante und die wenigen Stücke, die sie aus England mitgebracht hatte, es gab die gemütliche kleine Bank in der Küchenecke und den gemauerten Kamin, über den sie schimpfte, weil der Abzug nicht immer funktionierte und der Kamin manchmal Rauch und Asche ins Zimmer spie. Dort im Haus war er sicher. Dort gab es nur Gin, Leslie und ihn. Und Sil. Sil, der ihm keinen Schrecken einjagte. Und Grau, den gab es natürlich auch. In welcher Gestalt er auch auftrat, seine Augen waren stets dieselben, ruhig und freundlich, sein Fell immer grau und zottig, so dass man das Gesicht darin verbergen und niemand einen anschauen konnte. Grau verlangte nichts, er forderte keine unmöglichen Dinge von ihm. Auch wenn er nie sprach, wusste Felix, dass Grau nichts Schlimmes daran fand, dass Felix vor so vielem Angst hatte, obwohl er selbst sich vor nichts fürchtete. Nur von der Burg hielt er sich fern. Dabei waren die Mauern von Glen vom selben Grau wie sein Fell.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Leslie leise.
Felix, der vor dem Feuer saß und gedankenverloren in den Flammen herumstocherte, schreckte auf. Noch nicht, dachte er flehentlich. Es war so selten, dass er hier sein konnte, und der Rückweg nach Glen war entsetzlich, vor allem, wenn es bereits dunkelte.
Aber Leslie hatte nicht seinen Aufbruch gemeint, sondern etwas anderes. Etwas noch Schlimmeres. Sie meinte, dass es Zeit war, dass etwas geschah. Und dieses Geschehen, das war nichts, was irgendein anderer erledigte. Es gab ja niemanden außer ihnen. Es gab Leslie und Gin und ihn und Sil. Und Grau. Und eine Handvoll Geschöpfe, auf die nicht so richtig Verlass war, auch wenn sie es gut meinten. Oder zumindest irgendwie, wenn man das so nennen konnte, auf ihrer Seite waren. Für den Augenblick. Und wenn man nichts falsch machte. Und sie es sich nicht aus Gründen, über die sie einem keine Rechenschaft ablegten, anders überlegten.
Die Flammen zischten und fauchten. Felix beruhigte sie und zugleich sich selbst. Er wünschte, es gäbe ein Feuerwesen. Eine Feuerfee. Wenn er vor dem Feuer saß, wartete er oft darauf, dass sie Gestalt wurde. Wenn so vieles anderes Gestalt geworden war, mitten aus dem Nichts, warum nicht auch ein Wesen aus Flammen, das er jederzeit rufen konnte und das ihn beschützte? Aber bei seinem Glück entspränge, wenn es denn geschähe, den Flammen ein grauenhaftes Ungeheuer, ein Monstrum mit unstillbarem Hunger und voller Bosheit, das einen Feuersturm entfesselte, wenn man nicht tat, was es von einem wollte. Leslie sagte ohnehin, dass frisch gestaltgewordene Feen noch unberechenbarer waren als andere. Man wusste ja nichts über sie.
Gin schaute Leslie lange an, sagte aber nichts. Sie war blass. Felix wusste, dass sie Angst um Leslie hatte.
»Ich war heute Morgen am Tümpel«, sagte Leslie. Unwillkürlich erschauerte Felix. Es gab viele Tümpel im Tal, aber der, den sie meinte, lag am Rand des Moors in der Nähe von Glen, und sie hatten öfter über ihn geredet, als ihm lieb war.
»Sie ist fort«, sagte sie schlicht. »Vor drei Tagen war sie noch da, jetzt ist sie fort.«
»Vielleicht ist sie weggegangen«, warf Felix wider besseres Wissen ein. Gin und Leslie warfen ihm lange Blicke zu. Er senkte den
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