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Die Feinde des Geisterjaegers

Die Feinde des Geisterjaegers

Titel: Die Feinde des Geisterjaegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Delaney
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folgten ihr aber nicht ins Wasser. Dann tauchten über der Wasseroberfläche kurz ein Gesicht und Schultern auf. Die Frau sah mich an und da wusste ich es …
    Das Gesicht war nicht länger menschlich. Die Augen traten hervor, die Haut schimmerte glatt. Sie war tatsächlich eine Selkie. Und jetzt war sie in ihrem nassen Heim in Sicherheit. Aber die Hunde überraschten mich. Warum waren sie ihr nicht ins Wasser gefolgt?
    Sie schwamm mit kräftigen Zügen gegen die Flut an aufs offene Meer zu. Ich sah ihrem auf- und abtauchenden Kopf nach, bis sie verschwunden war, dann drehte ich mich um und ging zur Hütte zurück, während mir die Hunde betrübt folgten. Am Strand konnte ich Arkwright sehen, der die Arme fest um den Fischer gelegt hatte und ihn zurückhielt. Er hinderte ihn daran, seiner Frau zu Hilfe zu eilen.
    Als ich näher kam, ließ er den Mann los, der wild mit den Armen zu fuchteln begann. Aus der Nähe betrachtet, wirkte er noch älter als zuvor.
    »Was haben wir euch denn getan? Was?«, schrie der Fischer, dem Tränen übers Gesicht liefen. »Mein Leben ist vorbei. Ich habe nur für sie gelebt. Fast zwanzig Jahre waren wir zusammen und ihr macht es kaputt. Und warum? Wegen der Beschwerden von ein paar eifersüchtigen sogenannten Nachbarn. Was für ein Mensch sind Sie? Sie war sanft und gut und hat nie jemandem etwas getan.«
    Arkwright schüttelte den Kopf, erwiderte aber nichts. Er wandte dem Fischer den Rücken zu und wir gingen zum Dorf, hinter dem dunkle Regenwolken aufzogen. Als wir näher kamen, begannen sich die Türen zu öffnen und die Vorhänge zu flattern. Doch es kam nur ein Mann auf die Straße – der dürre Alte, der die Glocke geläutet und uns zu dieser unglückseligen Aufgabe geholt hatte. Er kam und hielt uns eine Handvoll Münzen hin. Es sah aus, als hätten sie zusammengelegt, um die Rechnung meines Meisters zu begleichen. Es war eine überraschend prompte Bezahlung. John Gregory wurde selten gleich nach Erledigung einer Arbeit bezahlt. Oftmals musste er Monate warten, manchmal sogar bis nach der nächsten Ernte.
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Arkwright das Geld nicht annehmen. Selbst als er es in der Hand hielt, schien es, als wolle er es dem Mann lieber ins Gesicht werfen. Doch schließlich steckte er es ein und wir gingen wortlos weiter.
    »Wird sie nicht wiederkommen, wenn wir weg sind?«, fragte ich, als wir uns dem Kanal näherten.
    »Sie kommen nie zurück, Ward«, erklärte Arkwright mit grimmigem Gesicht. »Niemand weiß, warum, aber sie wird jetzt ein paar Jahre draußen auf See verbringen. Vielleicht sogar den Rest ihres langen Lebens. Es sei denn, sie sieht noch einen Mann, der ihr gefällt. Vielleicht fühlt sie sich einsam da draußen …«
    »Warum sind ihr die Hunde nicht ins Wasser gefolgt?«
    Arkwright zuckte mit den Achseln. »Hätten sie sie vorher geschnappt, dann wäre sie jetzt tot – daran besteht kein Zweifel. Aber in ihrem eigenen Element ist sie sehr stark und kann sich gut verteidigen. Wenn man sie in Ruhe lässt, ist sie harmlos, daher setze ich die Hunde nie unnötig aufs Spiel. Bei einer Wasserhexe ist das etwas anderes, da erwarte ich, dass die Hunde ihr Leben riskieren. Aber für eine Robben-Frau lohnt sich das nicht. Sie stellt für niemanden eine wirkliche Bedrohung dar. Jetzt ist sie fort und die Dörfler werden sich von nun an sicherer fühlen. Damit ist unsere Aufgabe erledigt.«
    Mir kam das grausam vor und ich war ganz und gar nicht froh darüber, an einem, wie mir schien, so unnötigen Akt teilgenommen zu haben. Fast zwanzig Jahre waren sie zusammen gewesen und jetzt stand dem Fischer ein einsames, trauriges Alter bevor. In diesem Moment schwor ich mir, dass ich, wenn ich erst einmal ein Spook wäre, nicht jede Aufgabe übernehmen würde.





Ich wartete eine ganze Weile auf ihn, und als er endlich aus dem Vorzimmer kam, hatte er eine brennende Laterne und eine Flasche Rotwein dabei, die schon halb leer war. Hatte er das alles getrunken? Sein Gesicht war finsterer als eine Donnerwolke und er schien überhaupt nicht in der Stimmung zu sein, mir etwas beizubringen.
    »Schreib auf, was ich dir heute Morgen beigebracht habe«, gab er mir auf und stellte die Laterne mitten auf den Tisch. Ich sah sie verwundert an. In der Küche war es zwar ein wenig dämmrig, aber es war noch hell genug, um zu arbeiten. Dann nahm er einen großen Schluck aus der Flasche und starrte aus dem schmutzigen Küchenfenster auf die Regenmassen, die vom Dach

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