Die Feinde des Geisterjaegers
mit langsamen, weit ausholenden Bewegungen zur Insel, wobei die Ruder fast geräuschlos ins Wasser glitten. Es war windstill und bald kam der Mond zum Vorschein und tauchte die Berge und den See in sein silbernes Licht. Doch die Bäume wirkten immer noch dunkel und bedrohlich. Der Anblick der Belle-Insel ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken rieseln.
Die Überfahrt dauerte nur ein paar Minuten und schon bald landete das Ruderboot am Strand und wir stiegen aus, durch ein paar alte knorrige Weiden vor dem Mondlicht geschützt.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Deana«, flüsterte der Spook der alten Frau zu. »Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind, fahren Sie nach Hause und kommen kurz vor Sonnenaufgang wieder, um uns abzuholen.«
Deana nickte und griff nach einer der Laternen, die sie dem Spook reichte. Da ich bereits meinen Stab und die Tasche meines Meisters trug, reichte sie die zweite Alice. Kralle rannte sofort voraus und war schnell in der Finsternis verschwunden. Wir ließen Deana beim Boot zurück und folgten dem Hund in den düsteren Wald. Die Insel war von einem Ende zum anderen an der breitesten Stelle kaum dreihundert Meter breit und vielleicht viermal so lang. Bei Tageslicht hätten wir sie gründlich von einem Ende zum anderen erforschen können, aber das war im Dunkeln unmöglich, daher gingen wir direkt zu dem Bauwerk, wo der Eremit Bill Arkwright vermutet hatte.
Die Insel war dicht bewaldet, hauptsächlich mit Nadelbäumen, doch bald erreichten wir eine Stelle mit Laubbäumen, deren Zweige kahl und blattlos in den Himmel ragten, und dort erhoben sich in ihrer Mitte zwei Bauten.
Sie sahen völlig anders aus, als ich erwartet hatte. Im Mondlicht sah ich zwei Gebäude anstatt einem, die keine fünfzehn Schritte voneinander entfernt standen. Zwei hässliche, plumpe, quadratische Zwillingstürme aus grauem, mit Flechten überwuchertem Stein, nicht mehr als sieben Meter hoch. Sie erinnerten mich an Mausoleen – triste Grabstätten für die Gebeine der Toten. Sie trugen flache Dächer ohne Zinnen. Im unteren Teil bestanden die Mauern aus schlichten Steinblöcken, aber ab etwa drei Metern Höhe sah ich eine Vielzahl von Wasserspeiern in Form von Schädeln, Fledermäusen, Vögeln und Kreaturen, die einer dämonischen Tierwelt zu entstammen schienen.
Das erste Gebäude hatte keine Tür und als Fenster nur einen schmalen hohen Schlitz in jeder Wand. Wie kam man dort hinein? Und wenn nicht, was sollte das dann? Es sah nicht einmal hübsch aus. Arkwright konnte nicht in diesem versiegelten Turm sein, doch Kralle umkreiste ihn schnüffelnd und winselnd, und als wir uns dem nächsten Gebäude näherten, blieb sie zurück.
Dann fiel mir auf, dass der Begriff »Zwillingstürme« nicht wirklich zutreffend war. Beide Gebäude hatten identische Schlitze als Fenster und eine Reihe von Wasserspeiern, aber das zweite verfügte zusätzlich über eine massive Holztür. Sie war mit einem Vorhängeschloss gesichert, aber da wir die Schlüssel des Schmieds Andrew besaßen, hatte der Spook sie im Handumdrehen geöffnet. Wir zündeten die beiden Laternen an, bevor wir vorsichtig eintraten, die Klingen unserer Stäbe bereithaltend. Langsam schritten wir an drei Wänden entlang, etwa dreißig Stufen hinab zu einer Wasserpfütze.
Unten angekommen, lenkte irgendwas die Aufmerksamkeit des Spooks in eine Ecke. Ich trat neben ihn und starrte seinen Fund an. Es war ein Stiefel.
»Ist das Bills?«, fragte der Spook.
»Das ist seiner«, bestätigte ich.
»Also, wo ist er dann?«, fragte der Spook eher sich selbst als mich. Er wandte sich wieder dem Wasser zu, stellte sich an den Rand und hielt die Laterne hoch, um besser hineinzusehen.
Ich folgte seinem Blick. Das Wasser war erstaunlich klar, aber tief, und ich sah zwei Dinge: eine weitere steile, schmale Treppe unter Wasser und am Ende etwas, was wie der Eingang zu einem dunklen Tunnel aussah.
»Was haben wir denn da?«, murmelte der Spook. »Nun, Junge, sieh dir mal die Richtung von diesem Tunnel an. Was glaubst du, wohin er führt?«
Daran gab es keinen Zweifel.
»In den anderen Turm«, antwortete ich.
»Ganz genau. Und ich frage mich, was wohl darin ist? Was ist ein besseres Gefängnis als ein Gebäude ohne Tür? Folge mir, mein Junge …«
Ich gehorchte und auch Alice folgte uns. Draußen ging mein Meister zum anderen Turm hinüber, blieb am nächsten Fenster stehen und deutete hinauf.
»Stell dich auf meine Schultern und versuch, hinaufzuklettern und
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