Die Feinde des Imperators
überquerten
den Fluss, tauchten in das Transtiberviertel ein und erreichten das
Labyrinth genau passend zum Sonnenuntergang. Das Gebäude ragte
fünf Stockwerke hoch auf und war so groß wie jede der
zahlreichen Mietskasernen in Rom. Vor dem Gebäude stand das
berüchtigte Wahrzeichen des Labyrinths, eine
überlebensgroße Skulptur der Pasiphae und des Stiers, wobei
die anatomischen Details fast schmerzhaft detailreich waren. Die
Königin war in vornübergebeugter Haltung mit gespreizten
Beinen und Armen dargestellt, die von Daedalus angefertigte
Stierattrappe war mit behuften Stiefeln und Handschuhen nur
angedeutet. Der Stier war selbst für einen Stier gut
bestückt.
Wir gingen den langen
Flur entlang, der vom Eingang auf den riesigen Innenhof
führte. Dort standen unter einem Zeltdach, das ausgereicht
hätte, selbst dem Circus Schutz zu bieten, gut hundert lange
Tische, an denen die Gäste schlemmten und von denen aus sie
sich das Unterhaltungsprogramm ansahen. Als wohlbekannte
Persönlichkeit des öffentlichen Lebens wurde ich
natürlich auf Anhieb erkannt. Die Bordellwirtin, eine
unglaublich große Frau, die ihre Größe noch
dadurch betonte, dass sie mit hohen Sohlen ausgestattete
Schauspielerhalbstiefel und eine hoch aufragende Perücke trug,
begrüßte mich mit einem laut schmatzenden Kuss auf die
Wange.
»Senator
Metellus!«, rief sie mit einer Stimme, die von den
Wänden widerhallte. »Du hast uns schon viel zu lange
nicht mehr mit deiner Anwesenheit beehrt!« Sämtliche
Gäste wandten mir ihre Köpfe zu und gafften mich an. Es
erhob sich allgemeines Gelächter.
»Ah, ja, das ist
richtig. Tja, und wie es der Zufall will, bin ich heute in
dienstlichen Angelegenheiten hier. Ich muss mich mit Felix dem
Weisen beraten. Ist er heute Abend da?«
Sie lachte laut auf.
»Dienstliche Angelegenheiten! Oh, das klingt gut, Senator!
Dienstliche Angelegenheiten! Aber gut, alles klar, von mir aus eben
dienstliche Angelegenheiten. Felix kommt normalerweise erst
später am Abend. Kommt mit, wir suchen einen Tisch für
euch und besorgen euch etwas zu essen.« Wir folgten ihrem
kunstvoll schwingenden Hintern zu einem kleinen Tisch in der
Nähe einer der Wände. Er stand unter einer
prächtigen Platane, die mit aus Pergament gefertigten Laternen
behängt war. Der Tafelaufsatz war eine herrlich obszöne
Statuette von Ganymedes und dem Adler.
Die Bordellwirtin
klatschte in die Hände, woraufhin Bedienstete den Tisch mit
einem bemerkenswert guten Essen deckten und einen Krug mit
erstklassigem Wein auftrugen. »Senator, kannst du Caesar
nicht überzeugen, uns einen Besuch abzustatten? Es wäre
von sehr großem Vorteil für meine Stammkunden und
würde die Aedilen überzeugen, niedrigere
Bestechungsgelder zu akzeptieren, damit sie mich in Ruhe
lassen.«
»Kommt er denn
nie hierher?«, fragte ich sie.
»Nicht ein
einziges Mal. Und soweit ich gehört habe, hat er auch noch nie
irgendein anderes Lupanar aufgesucht. Nicht dass ich ihm
Vorwürfe machen will, weil er sie meidet, sie sind in der
Regel die reinsten Sauställe. Aber das Labyrinth ist das
berühmteste Lupanar der Welt. Glaubst du, diese Geschichten
über ihn und den alten König Nicomedes sind wahr? Aber
selbst wenn, ich habe hier Jungen jeder Rasse und jeden Alters,
wenn es das ist, wonach ihm der Sinn steht. Oder zieht er einfach
nur Huren vor, die einen patrizischen Stammbaum vorweisen
können?« Sie warf den Kopf zurück und brach erneut
in ihr lautes Gelächter aus. »Tja, Sulla, der war ein
richtiger Diktator. Er hat praktisch in Bordellen gelebt und sich
mit Schauspielern und Unterhaltungskünstlern umgeben; das hat
mir meine Großmutter erzählt. Sie hat seinerzeit auf der
anderen Seite des Flusses den Palast der Lüste
betrieben.« Sie seufzte. »Es müssen herrliche
Zeiten gewesen sein.« Eine weitere Römerin, die sich
nach den alten Zeiten sehnte.
»Vielleicht
kommen die guten Zeiten wieder«, entgegnete ich. »Bis es so
weit ist, solltest du einfach damit zufrieden sein, die
atemberaubendste, erfolgreichste Bordellwirtin zu sein, die es in
der Geschichte Roms je gegeben
hat.«
»Oh, du bist
wirklich zu liebenswürdig, Senator. So, jetzt muss ich weiter.
Ich lasse es dich wissen, wenn Felix hier eintrudelt. Dienstliche
Angelegenheiten, haha!« Sie ging beschwingten Schrittes
lachend und prustend davon.
Da wir vorerst nichts
Besseres zu tun hatten, machten wir uns über unser Abendessen
her, das gediegener war als das, was in den
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