Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
Vom Netzwerk:
Name trieb Schabernack mit ihm, blieb
     immer soeben außer Reichweite, hielt ihn zum Narren.
    Das war es, was hier passierte. Er verlor nicht etwa das Gedächtnis. Im Gegenteil, er ließ seinen Erinnerungen freien Lauf,
     mit dem Ergebnis, dass sie manchmal einfach die Kontrolle übernahmen. Zum Beispiel bei sich zu Hause, wenn er sich endlich
     durchgerungen hatte, eine quietschende Tür zu ölen oder den Küchentisch abzuräumen. Aber dann erinnerte ihn etwas an die Kinder,
     und bevor er sich versah, waren Stunden vergangen, und er fand sich vor dem Fernseher wieder und schaute irgendeine Sendung
     oder auch einfach nur ins Leere. Oder gerade erst eben auf der Tankstellentoilette, als er sich gegen die Tür gelehnt und
     versucht hatte, sich daran zu erinnern, was hinter ihr lag, und da hatte er plötzlich an Clare denken müssen. Aus der Erinnerung
     war ein reales Bild geworden, so klar und lebendig, dass er überzeugt gewesen war, sie warte just in diesem Moment gleich
     vor der Tür. Und alles schien ihm plötzlich wieder präsent zu sein, obwohl das gar nicht stimmte: Er war Bill Warrington.
     Clare Warrington war seine Frau. Und Clare Warrington stand direkt da hinter der Tür und würde ihn anlächeln, wenn sie ihn
     sah, und ihm die Hand reichen, und er würde sie ergreifen und seine Finger mit den ihren verflechten, wie sie es immer machten,
     wie sie es schon hundertmal gemacht hatten.
    »Nein, tausendmal.«
    Bill sah, dass seine Enkelin herüberschaute. Er schloss die Augen.
    Die Erinnerung kann sich auch gegen einen richten, dachte er. So wie eben, als er nach dem Türknauf gegriffen hatte und dafür
     lieber ein Papierhandtuch benutzt hätte, aber natürlich gab es in der Toilette keine, und genau in dem Moment war ihm klar
     geworden, dass Clare gar nicht da draußen war, sie würde nicht auf ihn warten, sie war weg, und irgendwie, aus irgendeinem
     Grund war er daran schuld.
    Er lehnte den Kopf gegen die Scheibe.
    Und schon war sie wieder da, jetzt hatte sie sich an den neuen Oldsmobile Vista Cruiser gelehnt. Die Kinder waren ganz verrückt
     auf dieses Auto. Ehrfürchtig hockten sie auf der Rückbank und starrten aus dem offenen Schiebedach hinaus. Heute wollten sie
     irgendeinen Ausflug machen, denn Clare trug ihr geblümtes Kleid – dasjenige, das ihre schmale Taille so betonte. Bill fand
     es toll, wenn er mit der Frau in dem geblümten Kleid gesehen wurde. Aber nein, sie hatte ja gar nicht das geblümte Kleid an.
     Sie trug enge schwarze Hosen und Segeltuchschuhe ohne Socken.
    Gerade ermahnte sie Nick, sich zu beeilen, sonst würden sie das Aufwärmtraining verpassen. Und dann war Nick auf der Rückbank,
     er trug seine Baseballkappe und sein T-Shirt mit
Woodlake Drugs
drauf und las einen
Hardy-Boys
-Kinderkrimi.
    Wir sind auf dem Weg zum einem Baseball-Spiel,
rief Bill ihm zu.
Konzentrier dich auf das Spiel.
Aber Nick las einfach weiter. Ständig war er am Lesen. Oder er schrieb kleine Geschichten, die er dann gerne der Familie beim
     Abendbrot vorlas. Er war nicht wie andere Jungs, nicht mal wie sein älterer Bruder. Einmal, als Nick noch jünger gewesen war,
     hatte er ihn in ihrem Schlafzimmer erwischt, wie er neben seiner Mutter an Clares Frisiertischsaß und sich genau wie seine Mutter die Lippen schminkte. Nachdem der Junge, heulend wie üblich, aus dem Zimmer gerannt war,
     hatte Clare Bill erklärt, er solle sich wieder beruhigen. Du macht ihn noch zu einer Schwuchtel, wenn du ihn so was anstellen
     lässt, hatte er eingewandt, aber sie hatte ihn beschieden, Nick sei eben nur ein neugieriges und sensibles Kind und Bill werde
     ihn noch neurotisch machen. Und jetzt redete Bill mit einem Arzt, und der Arzt sagte, alles in bester Ordnung, und Bill schrie,
     überhaupt nicht, gar nichts ist in bester Ordnung, und Clare lag in ihrem Krankenhausbett, die Lippen knallrot, als hätte
     sie gerade ihren Lippenstift aufgelegt, das Gesicht gelb wie von Gelbsucht. Der Arzt tippte ihm auf den Arm und fragte ihn,
     ob es ihm gut ging. Aber jetzt rannten Bill und Clare. Sie rannten vom Krankenhaus weg, und Bill hatte das geblümte Kleid
     mitgebracht, und das hatte Clare jetzt an, sie fragte ihn, ob es die richtige Richtung war, ihre Haut war gelb, und die Lippen
     waren schrecklich aufgesprungen, und sie saß beim Baseball allein auf der Tribüne und sah so klein aus. Aber dann saß Bill
     neben ihr in der Linkskurve und schrie Nick an, er solle mit dem Träumen aufhören und auf den Schlagmann

Weitere Kostenlose Bücher