Die fernen Tage der Liebe
Kofferdeckel zu. »Was erdreistest du dich, Hank? Glaubst du etwa, nur weil du dich zu mir
gesetzt und mir zugehört und mich getröstet hast – übrigens lauter Sachen, die man von einem Freund und Liebhaber auch erwarten
kann –, glaubst du im Ernst, das gibt dir schon das Recht, dich in etwas einzumischen, was dich ganz ehrlich nicht die Bohne
angeht?«
Hank starrte sie entgeistert an. »Da stehen wir also – nach allem, was zwischen uns war.«
Marcy hielt seinem Blick stand. Und dann wurde es ihr schlagartig klar: Hank suchte nur nach einer Ausrede. Wenn er tatsächlich
einen Koffer in seinem Wagen hatte, dann nur für einen Wochenendausflug mit irgendeinem anderen Weibsstück, das ihm ins Auge
gefallen war. Diese blöde Kuh aus ihrer ersten Mitarbeiterbesprechung kam ihr wieder in den Sinn:
Der unersättliche Hank.
»Genau da stehen wir«, erwiderte sie. »Wir können darüber reden, wenn ich wieder da bin.« Sie griff nach ihrem Koffer. »Oder
es bleiben lassen.«
»Warum kann ich dich nicht wenigstens zum Flughafen fahren? Du bist doch vollkommen aus der Fassung.«
Hank, der Kavalier alter Schule, dachte Marcy.
Ich beschütze dich. Ohne mich schaffst du es nicht. Versuch es erst gar nicht.
Wie war es eigentlich soweit gekommen? Wann hatte er angefangen, sich so aufzuführen?
»Ich bin aus der Fassung, weil ich zu spät komme, weil du dich aufführst wie ein liebeskranker Teenager, der nicht verwinden
kann, dass seine Freundin selbst etwas auf dem Kasten hat und ohne ihn klarkommt!«
Jetzt wurde er hellhörig. Sein Blick verdunkelte sich, die Augen wurden schmal. Er schien seine Worte sehr genau abzuwägen.
»Na dann sieh mal zu, wie du klarkommst«, stieß er hervor.
Am Flughafen wartete Nick schon auf sie – er war natürlich pünktlich gewesen.
»Du würdest sogar noch zu deiner eigenen Hinrichtung zu früh kommen«, stichelte Marcy und umarmte ihn.
»Alles in Ordnung?« Marcy nickte in seine Schulter hinein. Sie wusste nichts mehr zu sagen. Hoffentlich würde sie nicht anfangen
zu weinen.
Nick hob erst ihren und dann seinen Koffer hoch. Er nickte in Richtung des Flughafengebäudes. »Also, sollen wir dann mal April
holen?«, fragte er.
Marcy lächelte. Dann sah sie die Schlange vor der Abfertigung.
»Ach du Scheiße!«
Nick lachte nur und sagte, sie solle ihm nachkommen. Marcy gehorchte. Sie marschierten an Dutzenden anderer Passagiere vorbei
in Richtung der »Elite-Flyer«-Schlange.
»Anscheinend bist du in letzter Zeit viel geflogen«, sagte Marcy.
»Reisejournalismus«, antwortete Nick. »Hat auch seine Vorzüge.«
Die Flugbegleiterin lächelte Nick an und fragte nach seinem Ausweis und seinem Reiseziel. »Des Moines«, antwortete er. »Wir
sind schon ein bisschen spät dran. Wenn Sie uns da irgendwie behilflich sein könnten, wären wir Ihnen wirklich dankbar.«
Marcy registrierte, dass die Frau am Schalter die Stirn runzelte, als Nick Des Moines sagte. Die Frau tippte eine Weile auf
ihren Computer ein. »Hat Sie jemand benachrichtigt, Mr. Warrington?«
»Mich benachrichtigt? Nein. Warum?«
»Ich fürchte, Ihr Flug ist gestrichen worden. Eigentlich hätten Sie benachrichtigt werden sollen. Ich schaue gerade nach,
ob es noch irgendwelche anderen Flüge …«
Ihre letzten Worte wurden verschluckt von wildem Tippen und dem Blut, das plötzlich in Marcys Kopf rauschte. »Gestri chen ?«, fragte sie. Sie wusste, dass sie zu laut sprach, konnte aber nichts dagegen machen.
Nick wandte sich zu ihr um und hob die Hand, um sie zu beruhigen … oder sie zum Schweigen zu bringen.
»Wo liegt das Problem?«, fragte er die Frau am Schalter. »Am Wetter kann es ja wohl nicht liegen. Draußen ist es wunderschön.«
»Aber nicht in Chicago«, erklärte die Frau.
»Aber wir wollen doch gar nicht nach Chicago«, mischte Marcy sich ein. »Wir wollen nach Des Moines.«
»Ihre Maschine kommt aber aus Chicago, Ma’m«, erklärte die Mitarbeiterin. »Ich kann Sie in die erste Maschine setzen, die
morgen früh abgeht.«
»Wir müssen aber noch heute Abend ankommen«, erklärte Marcy.
Nick warf ihr einen warnenden Blick zu. »Wie siehst es mit einem späteren Flug aus? Könnte ja sein, dass nur ein Sturm über
Chicago zieht und …«
»Ja, das überprüfe ich gerade«, erklärte die Mitarbeiterin. »Es gibt nur noch einen späteren Flug nach Des Moines, und der
scheint ausgebucht zu sein. Sogar überbucht. Möchten Sie, dass ich Ihnen die Plätze in der
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