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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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machte er immer,
     wenn er telefonierte.
    »Also, was soll ich machen?«, fragte er.
    Diese Frage verblüffte Marcy. Bis er sie gestellt hatte, war ihrgar nicht klar gewesen, dass sie eigentlich erwartet hatte, Mike würde
ihr
sagen, was zu tun war. Wann immer sie wusste, dass sie gleich mit ihrem Bruder reden würde, hatte sie sich bisher als die
     Schwächere gefühlt – unbewusst natürlich. Wie alt musste man eigentlich werden, bis so ein Reflex verschwand? »Ich weiß es
     nicht«, sagte sie jetzt. »Ich mache mir Sorgen, dass wir es möglicherweise nicht rechtzeitig schaffen. Vielleicht sollten
     wir eher versuchen, uns direkt im Freizeitpark zu treffen.«
    Obwohl sie inzwischen erkannt hatte, welche Verhaltensmuster hier mitspielten, fühlte sie sich trotzdem nicht wohler. Mike
     die eigene Meinung wissen zu lassen war auch nicht angenehmer, als sich seine anzuhören. Für anderer Leute Meinungen hatte
     Mike sich noch nie interessiert, er hatte sie stets belächelt. Er wartete nie erst darauf, was andere von seinen Vorstellungen
     hielten. Er setzte sie einfach in die Tat um.
Besser, man bittet um Vergebung als um Erlaubnis,
hatte er ihr einmal geraten, als sie ihn – wie lang mochte das her sein? – einmal gefragt hatte, ob sie schlicht »vergessen«
     solle, die Einwilligung ihres Vaters einzuholen, wenn sie zu einer Party ohne elterliche Beaufsichtigung wollte.
    »Das macht dir doch hoffentlich nichts aus, Mike?«, fuhr sie jetzt fort. »Ich meine, unter normalen Umständen würde ich dir
     einfach sagen, vergiss die Sache und fahr nach Hause. Aber der Alte hat ja gesagt, wir müssen alle drei da sein, richtig?«
    »Richtig«, bestätigte Mike. »Ich werde da sein.«
    »Bis du dir sicher? Ich meine, kannst du denn so einfach von der Arbeit fortbleiben?«
    »Das ist das geringste Problem.«
    Was sollten überhaupt diese Fragen. Hatte Mike die nicht schon beantwortet, indem er zugestimmt hatte, mit ihnen nach Des
     Moines zu fahren, nachdem sie herausgefunden hatten, worumes bei der Nachricht ihres Vaters überhaupt ging. Schließlich hatte er sich ein Ticket gekauft. Er stand am Flugsteig.
    »Prima«, sagte sie. »Dann sehen wir uns also morgen Mittag. Um zwölf Uhr, in Ordnung?«
    Lachte Mike etwa? Oder war das ein Passant gewesen?
    »High Noon an der Legend«, kicherte er. »Der alte Knabe hat durchaus Sinn für Theatralik, findest du nicht?«
    Marcy wartete, ob noch etwas kam, aber entweder hatte Mike aufgelegt, oder die Verbindung war unterbrochen worden. Sie steckte
     ihr Telefon ein.
    »Irgendwas stimmt nicht mit Mike«, sagte sie. »Er kommt mir so anders vor.«
    Nick gab ein undefinierbares Geräusch von sich. Marcy wusste nicht, wie sie es interpretieren sollte. In letzter Zeit war
     Nick, sobald die Sprache auf Mike kam, immer in Schweigen verfallen. Sie wusste, das lag daran, weil Nick irgendwann zu dem
     Schluss gekommen war, dass es sich nicht mehr lohnte, in ihren ältesten Bruder noch Gefühle zu investieren. Geburtstagskarten
     wurden nie erwidert, Telefonanrufe nicht beantwortet, stattdessen kamen vorgedruckte Weihnachtskarten mit den besten Weihnachtswünschen
     von den Warringtons: Mike, Colleen, Clare und Ty.
    »Was soll das heißen anders? Etwa nett?«, fragte Nick schließlich.
    »Genau!«, antwortete Marcy. Erst dann begriff sie, dass Nick das ironisch gemeint hatte. Sie kam sich dumm vor. Ein Schild,
     an dem sie vorbeikamen, hieß sie herzlich willkommen in Indiana.
    Marcy fragte: »Weißt du noch, wie der Alte immer dieses Lied über Gary, Indiana gesungen hat, aus ›The Music Man‹? Mein Gott,
     was hat er dieses Musical geliebt.«
    »Natürlich hat er das«, antwortete Nick. »Harold Hill, derHandelsvertreter.
But you gotta kwow the territory, shh, shh shh shh, shh shh shh.
Klar, dass Dad Harold Hill mochte. Der Song
Seventy-six Tombstones
ist ja auch viel lustiger als Willy Loman mit seinem
Immer lächeln und immer blank geputzte Schuhe.
Aber letzten Endes kommt doch beides aufs Gleiche heraus: Beutelschneiderei.«
    Marcy versuchte, in der Dunkelheit Nicks Gesicht zu studieren. »Du schießt dich wohl auf ihn ein«, sagte sie. Und nach einer
     Weile: »Immerhin hat er dafür gesorgt, dass stets was auf dem Tisch war.«
    Jetzt gab Nick ein Geräusch von sich, das Marcy sehr wohl interpretieren konnte.
    »Was soll das Gepruste?«, fragte sie.
    »Ich kann einfach nicht begreifen, warum du ihn immer verteidigst.«
    »Ich verteidige ihn überhaupt nicht immer«, wehrte sich

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