Die Festung der Perle
ab!«
»Solange du von deiner Klinge abhängig warst, Prinz Elric, hast du dich selbst zu einem einzigen Schicksal verurteilt.«
»Prophezeist du mir etwa meinen Tod, Mylady?«
Oone schüttelte den Kopf. Ihre schönen Lippen lächelten voll tiefer Zärtlichkeit und Zuneigung. »Tod ist für fast alle von uns unausweichlich, ganz gleich in welcher Gestalt er kommt. Ich muß auch zugeben, falls die Ordnung je das Chaos erobern sollte, wärst du das Werkzeug dieses bemerkenswerten Sieges. Es wäre wahrhaft traurig, Elric, wenn du durch die Zähmung des Chaos dich und dabei alle, die du liebst, mitzerstörst.«
»Ich versichere dir, Lady Oone, ich werde mein bestes tun, um solch ein Schicksal zu vermeiden.« Elric wunderte sich über den Ausdruck auf dem Gesicht der Traumdiebin, wollte aber nicht länger darüber nachdenken.
Sie schritten durch einen Wald aus Stalagmiten und Stalaktiten, die allesamt in anmutigen dunkelgrünen, dunkelblauen und tiefroten Tönen leuchteten. Die Wassertropfen, die von oben herabfielen, klangen wie leise Musik. Ab und zu traf auch sie ein dicker Tropfen von der Decke. Aber es war derart warm in der Höhle, daß sie bald wieder trocken waren. Entspannt, fast fröhlich, gingen die beiden Arm in Arm. Doch dann wurden sie jäh aus dieser friedlichen Stimmung gerissen. Gestalten flitzten zwischen den Tropfsteinsäulen, die wie nach oben gerichtete Raubtierfänge dastanden.
»Männer mit Schwertern«, murmelte Elric und fügte dann zynisch hinzu: »Jetzt wäre eine Waffe doch durchaus nützlich …« Halb war er mit seinen Gedanken bei der Zwangslage, in der sie sich befanden, halb suchte er in Welten der Elementarherrscher nach irgendeinem Zauber, nach Hilfe. Doch mußte er verblüfft feststellen, daß ihm die geistigen Pfade, die er sonst immer eingeschlagen hatte, versperrt waren.
Die Krieger waren verschleiert. Sie trugen schwere, fließende Umhänge. Helme aus Metall und Leder schützten ihre Köpfe. Elric hatte den Eindruck, als funkelten ihn unter den tätowierten Lidern kalte, harte Augen an. Da wußte er, daß ihm Mitglieder der Mörderzunft Quarzhasaats gegenüberstanden. Sie waren anscheinend geblieben, nachdem sich die übrigen Zauberer-Abenteurer aus den Traumreichen zurückgezogen hatten, und saßen jetzt hier in der Falle. Auf keinen Fall wollten sie Elric und Oone ein freundliches Gespräch aufdrängen; denn sie formierten sich bereits zum Angriff auf die gleiche Art, die Elric schon kannte.
Aber irgend etwas stimmte nicht bei diesen Männern. Es fehlte eine gewisse Geschmeidigkeit in ihren Bewegungen. Jetzt, mehr aus der Nähe, kam es Elric so vor, als könne er durch ihre Augen direkt in die Schädel hineinsehen. Das waren keine gewöhnlichen Sterblichen. In Imrryr hatte er einmal solche Männer gesehen. Das war bei einer jener seltenen Gelegenheiten gewesen, als sein Vater Sadric ihn zu einem Streifzug in die näheren Umgebung mitgenommen hatte. Sie waren zu einer alten Arena geritten, hinter deren hohen Mauern Melnibonéer gefangen gehalten wurden, die ihre Seelen bei der Jagd nach Zauberwissen verloren hatten, deren Körper aber noch lebten. Auch sie hatten diesen kalten, wahnwitzigen Haß gegen alle anderen besessen.
Oone schrie auf und ließ sich auf ein Knie fallen, um dem Schlag mit dem Schwert auszuweichen. Laut klirrend schlug die Klinge gegen die spitze Tropfsteinsäule. Die Stalagmiten standen so dicht beieinander, daß die Krieger nur mit Mühe ausholen konnten. Sie stachen daher mehr. Eine Zeitlang konnten der Albino und die Traumdiebin den Angriffen ausweichen. Doch dann traf ein Hieb Elrics Arm. Beinahe überrascht sah Elric, wie Blut aus der Schnittwunde floß.
Der Prinz von Melniboné wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sie beide tot sein würden. Als er sich gegen eine Säule warf, um dem nächsten Streich zu entgehen, merkte er, daß sich diese bewegte und nicht mehr fest im Boden verankert war. Mit aller Kraft warf er sich dagegen. Als der Stalagmit sich neigte, sprang er schnell davor und fing ihn mit der Schulter auf. Dann stieß er mit der gesamten Energie seines Körpers den Steinspeer dem nächsten Angreifer in die Brust.
Die Spitze drang tief ein. Der verschleierte Zauberer-Mörder stieß einen grauenvollen Todesschrei aus. Seltsames, unnatürliches Blut quoll neben dem Steinspeer aus der Wunde und floß herab. Doch wurde es sofort vom Körper gleichsam wieder aufgesogen. Elric sprang vor und entriß dem Feind Schwert und Dolch.
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