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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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denken. Was war mit ihnen geschehen, als sie vor dem Angriff des Perlkriegers flohen?
    Lady Zephir nahm das große Steuerruder. Mit einem einzigen Ruck lenkte sie das Boot in die Mitte des Wasserwegs. Sobald sie die Talmude hinter sich gelassen hatten, schweifte der Blick ungehindert über die graugrüne Steppe zu beiden Seiten. Weiter vorn wurde es grüner. Dort mußten Bäume stehen. Dahinter zeichneten sich verschwommen Berge ab. Das Licht erinnerte Elric an einen Spätnachmittag im September. Er konnte beinahe die frühherbstlichen Rosen und das sich langsam färbende Laub der Obstgärten in Imrryr riechen. Als er so vorne im Boot saß und Oone ihren Kopf an seine Schulter legte, seufzte er vor tiefer Freude. Er genoß diesen Augenblick unsäglich. »Wenn der Rest unserer Suche so wie jetzt verläuft, würde ich dich liebend gern auf vielen solcher Abenteuerfahrten begleiten, Lady Oone.«
    Auch die Traumdiebin war guter Stimmung. »Aye. Dann würden alle gern Traumdiebe sein.«
    Das Boot fuhr um eine Biegung, und sie wurden aufgeschreckt, als sie an beiden Ufern Gestalten stehen sahen. Mißtrauisch musterten Elric und Oone diese traurigen, schweigenden Menschen in weißen und gelben Gewändern, die der vorbeiziehenden Barke mit tränennassen Augen nachschauten, als wäre es ein Totenschiff. Elric war sicher, daß sie nicht um ihn oder Oone trauerten. Er rief sie an. Doch sie schienen ihn nicht zu hören. Urplötzlich waren sie verschwunden. Kurz darauf änderte sich die Landschaft. Auf sanften Terrassen wuchsen Weinstöcke, Feigen und Mandeln. Die Luft war lau. Es roch nach Ernte. Ein kleines fuchsähnliches Tier lief eine Zeitlang neben dem Boot am Ufer her, ehe es wieder ins Gebüsch huschte. Etwas später krochen nackte Männer mit brauner Haut auf allen vieren herum. Doch auch sie verzogen sich bald, offenbar gelangweilt, ins Unterholz. Der Kanal wurde immer kurvenreicher. Lady Zephir mußte ihr ganzes Gewicht in das Ruder legen, um das Boot auf Kurs zu halten.
    »Warum hat man den Kanal so angelegt?« fragte Elric sie, als sie auf einem geraden Abschnitt fuhren.
    »Was über uns war, ist jetzt vor uns, und was unter uns war, liegt jetzt hinter uns«, antwortete sie. »So ist es hier. Ich bin der Steuermann, und ich weiß das. Aber dort vorn, wo es dunkler wird, ist der Wasserweg unbiegsam. Ich glaube, das dient zum besseren Verständnis.«
    Ihre Worte waren beinahe so verwirrend wie die des Perlkriegers. Elric versuchte, hinter den Sinn zu kommen, indem er weitere Fragen stellte. »Der Fluß soll helfen, daß wir besser verstehen. Aber was, Lady Zephir?«
    »Ihre Art - seine Art - was euch noch bevorsteht - da, schaut!«
    Der Fluß weitete sich plötzlich und wurde zu einem See. Am Ufer wuchs jetzt Schilf. Silberreiher schwangen ihre Flügel vor dem weichen Himmel.
    »Es ist gar nicht mehr weit zu der Insel, von der ich sprach«, sagte Lady Zephir. »Ich habe Angst um euch.«
    »Nein!« sagte Oone freundlich aber bestimmt. »Steuere das Boot über den See zum Falador-Tor. Ich danke dir.«
    »Kein Dank …« Lady Zephir schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht, daß ihr sterbt.«
    »Wir werden nicht sterben. Wir sind gekommen, um sie zu retten.«
    »Sie hat Angst.«
    »Das wissen wir.«
    »Die anderen behaupteten auch, sie wollten sie retten. Aber sie machten - sie machten alles dunkel, und sie war gefangen …«
    »Das wissen wir«, sagte Oone. Sie stand auf und legte beruhigend die Hand auf den Arm der verschleierten Frau, die mit sicherer Hand das Boot auf den See hinauslenkte.
    Elric fragte: »Sprichst du von dem Heiligen Mädchen und den Zauberer-Abenteurern? Was hält das Mädchen gefangen, Lady Zephir? Wir können wir Varadia von den Fesseln befreien und sie ihrem Vater und ihrem Volk zurückgeben?«
    »Oh, das ist eine Lüge!« Lady Zephir schrie beinahe. Sie zeigte auf ein Kind, das direkt auf das Boot zuschwamm. Aber die Haut des Jungen glänzte metallisch, wie Silber. Seine Silberaugen flehten um Hilfe. Doch dann grinste das Kind höhnisch, riß sich selbst den Kopf ab und tauchte weg. »Wir sind dem Falador-Tor sehr nahe«, sagt Oone grimmig.
    »Die, welche sie gern besäßen, bewachen sie«, erklärte Lady Zephir unvermittelt. »Aber sie gehört ihnen nicht.«
    »Ich weiß«, sagte Oone. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet. Über dem See lag ein Dunstschleier, so wie er sich an einem kühlen Herbstmorgen über einer Wasserfläche bildet. Alles wirkte ruhig und ungemein friedlich. Umso

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