Die Festung der Perle
ich.«
»Es gibt immer neue Aspekte. Das gehört zur Natur dieses Reiches. Vielleicht kann uns Lady Zephir mehr sagen.« Höflich wandte sich Oone an die Frau am Ruder.
Lady Zephir hatte den Schleier vor ihrem Gesicht festgebunden. Offenbar war sie unglücklich, daß Elric ihr Gesicht erblickt hatte. »Ich bin die Königin dieses Landes«, erklärte sie, ohne Stolz oder andere Gefühle zu zeigen.
»Dann hast du Untertanen, die uns helfen könnten?«
»Ich bin zwar Königin, doch ohne jede Macht über das Land. Es gibt mir nur Schutz. Ihr nennt es Falador.«
»Ist hier auch alles verrückt?«
»Es weiß sich gut zu verteidigen.«
»Sie halten das fern, was vielleicht gern hinauswill«, sagte Oone so vor sich hin. »Hast du Angst vor denen, die Falador schützen, Lady Zephir?«
»Ich bin jetzt Königin Zephir!« Elric wußte nicht, ob die Frau, die nun hochaufgerichtet am Ruder stand, sie voller Stolz verbesserte oder ihnen nur spottete. »Ich bin geschützt, ihr aber nicht. Und ich bin nicht in der Lage, euch Schutz zu gewähren.«
Die Barke trieb langsam auf dem Wasser dahin. Von den Felsen am Ufer lösten sich Schleimfetzen und bewegten sich durchs Wasser, als seien sie lebendig. Es gab noch andere Schemen, die dort herumschwammen und Elric beunruhigten. Am liebsten hätte er sein Schwert gezogen. Doch das erschien ihm unziemlich.
»Was müssen wir hier fürchten?« fragte er die Königin.
Sie trieben unter einem großen Felsvorsprung dahin, auf dem ein Reiter Stellung bezogen hatte. Der Perlkrieger! Mit der üblichen Mischung aus Hohn und Stumpfsinn starrte er herab. Dann hob er einen langen Stock, an den er das spitze, gedrehte Horn eines Tieres gebunden hatte.
Königin Zephir drohte ihm mit der Hand. »Perlkrieger soll das nicht tun! Perlkrieger muß auch hier gehorchen.«
Der Reiter stieß sein grausiges Lachen aus, drehte sein Pferd um und war verschwunden.
»Wird er uns angreifen?« fragte Oone die Königin.
Diese konzentrierte sich ganz auf das Ruder, um das Boot in einen Seitenarm zu steuern. Vielleicht wollte sie jeden Konflikt vermeiden. »Das ist ihm nicht gestattet«, sagte sie.
Das Boot hatte jetzt den schmalen Nebenarm erreicht. Hier war das Wasser rubinrot, und an den Ufern glänzten braune Moospolster. Sanft stieg das Gelände zu den Felswänden an. Elric war überzeugt, daß ihn uralte Gesichter aus dem Moos und den Klippen anstarrten; aber er fühlte sich nicht bedroht. Der rote Wasserlauf sah wie Wein aus, über allem lag eine berauschende Süße. Kannte Königin Zephir alle geheimen, lieblichen Orte dieser Welt, und führte sie ihn und Oone hierher, um allen Gefahren dieser Welt auszuweichen?
»Hier hat mein Freund Edif Einfluß«, erklärte sie. »Er ist ein Herrscher, dessen Hauptinteresse der Poesie gilt. Wird es jetzt sein? Ich weiß es nicht.«
Inzwischen hatten sie sich an die manchmal rätselhafte Ausdrucksweise der Königin gewöhnt. Allerdings hatten sie keine Ahnung, wer dieser Edif war, durch dessen Land sie gefahren waren. Jetzt bildeten Wüstenstreifen die Ufer. In der Ferne standen Palmen wie bei einer Oase. Doch es kam keine Oase.
Bald hatte der Himmel wieder die Farbe verdorbener Leber, die Felswände ragten steil am Ufer empor. Über allem lag ein widerwärtiger, süßlicher Geruch, der Elric an das Vorzimmer im Palast eines dekadenten Königs erinnerte, wo wohlriechendes Parfüm verbraucht wurde, wo es schal roch und wo Speisen, die einem den Mund wäßrig gemacht hatten, halb verdorben herumstanden; wo die Blumen nicht länger das Auge entzückten, sondern in ihrer Welkheit nur noch an den Tod erinnerten.
In den Steilklippen der Ufer gab es große Höhlen, in denen das Wasser gurgelte. Königin Zephir schien darüber besorgt zu sein und hielt die Barke in der Mitte des Flusses. Elric sah Schatten, die sich in diesen Höhlen über und unter der Wasseroberfläche bewegten. Rote Mäuler gingen auf und zu, blasse starre Augen glotzten ihn an. Sie wirkten wie Geschöpfe des Chaos, und der Albino wünschte sich sehr, sein Runenschwert zu haben, nebst seinem höllischen Schutzpatron und dem Vorrat an Zaubersprüchen.
Elric war keineswegs überrascht, als aus einer Höhle eine Stimme erklang.
»Ich bin Balis Jamon, Lord des Blutes, und wünsche, daß man mir Nieren reicht.«
»Wir fahren weiter«, rief Königin Zephir als Antwort. »Ich hege nicht die Absicht, dir jetzt oder später als Nahrung zu dienen.«
»Die Nieren dieser beiden! Sofort!« verlangte die
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