Die Festung der Perle
Elrics Kehle. Er wollte den Dolch auf das Herz des Albinos drehen. Von seinen Lippen tropfte Speichel - weiße Schaumblasen umrahmten seinen Mund.
»Perlkrieger!«
Plötzlich begann der Krieger zu sprechen. Er flüsterte Elric ins Ohr, als sei dieser ein Mitverschwörer. »Hör nicht auf sie! Ich kann dir helfen. Warum kommst du nicht mit mir und erforschst die Große Steppe, wo es viel Beute gibt?
Dort gibt es auch Melonen, die wie die köstlichsten Kirschen schmecken. Ich kann dir überaus prächtige Gewänder geben. Hör nicht auf sie! Hör nicht auf sie! Ja, ich bin Alnac, dein Freund.«
Elric widerte das wahnwitzige Gestammel noch mehr an als das schreckliche Aussehen und die Grausamkeit dieses Wesens.
»Denk an all die Macht dort. Sie haben Angst vor dir. Sie haben Angst vor mir. Elric, ich kenne dich. Wir wollen doch keine Rivalen sein. Vereint können wir siegen. Ich bin nicht frei, aber du könntest für uns beide herumreisen. Ich bin nicht frei, aber du würdest nie die Verantwortung tragen. Ich bin nicht frei, aber ich habe jede Menge Sklaven zu meiner Verfügung. Sie gehören dir, Elric. Ich biete dir neuen Reichtum und neue Weltanschauungen, neue Wege, dir jeden Wunsch zu erfüllen. Ich fürchte dich, und du fürchtest mich. Deshalb binden wir uns, einer an den anderen. Das ist das einzige Band, das je etwas zu bedeuten hat. Alle träumen von dir. Selbst die, die nicht träumen. Du bist der einzige Feind…«
»Perlkrieger!«
Die Rüstung aus Elfenbein, Schildpatt und Perlmutt rasselte, als sich der Krieger mit der aussätzigen Haut von Elric löste. »Gemeinsam können wir sie besiegen«, flüsterte er noch. »Keine Macht könnte uns widerstehen. Ich verleihe dir meine Kampfkraft.«
Elric war ganz übel, als er sich mühsam hochrappelte. Oone saß auf der Stufe und rieb sich die Glieder, um wieder Leben in sie zu bringen. Er folgte ihrem Blick.
Vor ihnen stand eine Frau. Sie war größer als Oone und Elric, und trug einen Schleier und eine Kapuze. Ihre Augen musterten ihn und Oone, dann hefteten sie sich auf den, den sie Perlkrieger genannt hatte. Sie hob den Stab, den sie in der rechten Hand hielt, und stieß ihn auf den Boden.
»Perlkrieger! Du hast mir zu gehorchen!«
Der Perlkrieger schäumte vor Wut. »Ich will aber nicht!« rief er und wischte über seinen Brustpanzer. »Du machst mich wütend, Lady Zephir.«
»Dies sind meine Schützlinge. Reite hinweg, Perlkrieger. Töte woanders. Töte die wahren Feinde der Perle!«
»Ich lasse mich nicht von dir herumkommandieren!« Er schmollte wie ein kleines Kind. »Alle sind Feinde der Perle! Auch du, Lady Zephir.«
»Du bist ein albernes Geschöpf! Hinweg mit dir!« Sie hob den Stab und deutete in die Ferne, wo sich im Dunst hinter der Treppe ein schier unendlich hohes Gebirge zu erstrecken schien.
Warnend sagte er: »Du machst mich wütend, Lady Zephir. Ich bin der Perlkrieger. Ich habe die Stärke der Festung.« Er wandte sich an Elric, wie zu seinem Kumpan. »Verbünde dich mit mir. Dann bringen wir sie gleich um. Dann werden wir herrschen - du in deiner Freiheit und ich in meiner Sklaverei. Über all dies hier und noch andere Reiche, die die Traumdiebe nicht kennen. Dort sind wir auf ewig in Sicherheit. Sei mein. Wir heiraten. Ja, ja, ja …«
Elric schauderte. Er drehte dem Perlkrieger den Rücken zu und ging zu Oone, um ihr aufzuhelfen.
Oone konnte zwar die Glieder wieder bewegen, war aber immer noch benommen. Sie blickte die Stufen hinauf, die hoch oben verschwanden. Nicht einer der vielen Menschen, die sich vor kurzem dort aufgehalten hatten, war mehr zu sehen.
Beunruhigt schaute Elric die Fremde an. Ihre Gewänder waren in verschiedenen Blauschattierungen gehalten, mit Silberfäden durchwirkt und mit grünen, goldbestickten Borten umsäumt. Würdevoll, aber zugleich amüsiert, erwiderte sie seinen Blick. Der Perlkrieger trat beiseite und funkelte Lady Zephir wütend an, um gleich danach Elric bösartig, verschwörerisch zuzulächeln.
»Wohin sind all die Menschen auf der Treppe gegangen?« fragte Elric.
»Sie sind nur nach Hause zurückgekehrt«, antwortete Lady Zephir. Ihre Stimme klang jetzt warm und voll, behielt jedoch auch den gebieterischen Ton bei, mit dem sie dem Perlkrieger befohlen hatte, von Elric abzulassen. »Ich bin Lady Zephir und heiße euch beide in diesem Land willkommen.«
»Wir sind dir für deine Hilfe sehr dankbar, Mylady«, sagte Oone. Ihr Ton klang trotz allem etwas mißtrauisch. »Bist du die
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