Die Festung der Titanen: Die Götterkriege 4 (German Edition)
weißes Haar.«
»Warum ist es so kurz?«
»Ist es wahr, dass sie einen Greifen hat?«
»Ist er hier? In der Scheune?«
»Vielleicht frisst er Fered, der war gestern gemein zu mir.«
»Roderika!«, rief Esire strafend. »So etwas sagt man nicht!«
»Es ist wahr, er war gemein zu mir!«
»Wo ist Steinherz? Stimmt es, dass er wie Havalds Schwert auch leuchten kann?«
»Hast du mir etwas mitgebracht?«, erkundigte sich die Jüngste, die auf Leandras Schoß kletterte, bevor die Königin der Südlande auch nur wusste, wie ihr geschah.
»Hrelde«, rief ich verzweifelt über den Trubel zu Esire hin. »Bringe uns zu Hrelde!«
»Ich bin Leandra«, sagte meine Königin zu Hrelde, als sie sich neben das Bett kniete. »Es ist schön, dich zu sehen.«
»Du bist schön«, stellte Hrelde fest und sah mich mit weiten Augen an. »Kommt sie, weil ich sterben muss?«
»Niemand muss hier sterben!«, ermahnte Esire sie hastig und eilte an das Bett ihrer Tochter. »Sie kommt, weil dein Vater, Havald und sie Freunde sind!«
Ich schob die beiden Seras sanft zur Seite, um auch Platz an Hreldes Bett zu haben. Ihr Anblick erschreckte mich, so bleich und blass, wie sie da lag, und der fiebrige Glanz ihrer blauen Augen.
»Ich war dumm«, gestand sie uns mühsam. »Mutter hat gerufen, aber ich wollte noch den Hund hereinholen, da kamen auch schon die Pferde.«
»Das macht nichts«, brachte Esire mühsam hervor. »Nur tue es nicht noch einmal.«
»Havald«, sagte Leandra leise, die genau wie Esire und ich wusste, dass Hrelde fast schon in Soltars Halle stand. »Ich hole Gerlon, wir brauchen ihn!«
»Warte«, bat ich sie. Vorsichtig hob ich die Decke an, sah das Bein, die blutigen Verbände und versuchte, das Entsetzen nicht zu zeigen, als uns der Geruch von Fieber und Eiter entgegenschlug.
Ich konnte die Knochen sehen, die Splitter, das zerrissene Fleisch, fühlen, wie sich das Wundgift bereits in ihrem jungen Körper seine Wege suchte.
Ich lächelte Hrelde beruhigend zu. »Du kannst doch ein Geheimnis wahren?«
»Besser als Vater«, sagte sie stolz. »Ich trinke nicht. Ich bin zu jung dafür«, fügte sie gewichtig hinzu.
Ich lachte wider Willen auf und sah dann zu Esire und Leandra hin. »Niemand soll davon erfahren«, bat ich beide. Esire, die die Hände in ihr Kleid gekrallt hatte, nickte nur, aber natürlich musste Leandra nachfragen.
»Wovon?«
»Davon«, antwortete ich und legte meine Hände sanft auf Hreldes zerschmettertes Bein. Aleyte hatte nicht gelogen, er war ein guter Chirurg gewesen, nach mehr hatte er auch nie gestrebt. Ich wusste, was ich tat, und doch verstand ich es nicht zur Gänze, also überließ ich es ihm, seinem Wissen, seiner Erfahrung und seinen geschickten Händen und seiner Magie, die hier, wo der Weltenstrom nur einige Meilen entfernt unter dem Hammerkopf sich kreuzte, überreichlich vorhanden war.
Ein Bein war für mich ein Bein gewesen, ich wusste, dass es darin Knochen gab und Muskeln, Adern, aus denen man bluten konnte, aber Aleytes Augen sahen dort ein ganzes wundersames Universum, in dem alles einen Sinn und Zweck, einen Platz und eine Aufgabe besaß. Eine Welt, die er nun wieder so ordnete, wie es richtig war. Bei mir hinterließ es ein Gefühl des Staunens und des Wunderns und eine tiefe Befriedigung, wie ich sie zuvor nur kannte, wenn ich meine Möbel baute. Auf einmal fühlte ich überraschend doch noch Mitleid mit Arkin, es war ein armes Leben, wenn man nur Zerstörung kannte.
Langsam nahm ich meine Hände von den blutigen Verbänden und setzte mich zurück auf meine Fersen, jetzt verstand ich besser, wie es Menschen wie Bruder Jon oder Gerlon möglich war, ihr Leben in den Dienst der Götter zu stellen, oder wie Orikes jahrzehntelang zu lernen und zu studieren, um ein Medikus zu werden.
Aleyte und der Verschlinger, zum Schluss waren sie beide eins gewesen, hatte er sich damit abgefunden, dass er ein Ungeheuer war. Doch zuvor, in einer jungen Welt, war er kein Ungeheuer gewesen, sondern jemand, der Freude daraus gezogen hatte, anderen zu helfen. Ich hoffte, dass er meinen leisen Dank vernahm.
»Was …«, flüsterte Leandra ergriffen, als ich meinen Dolch zog und vorsichtig die blutigen Verbände auftrennte, um ein schlankes, gerades, gesundes Bein freizulegen, das sich nun auch Hrelde staunend besah. »Was … was hast du getan?«
»Etwas, das gut und richtig ist«, antwortete ich ihr heiser und sah zu Esire hin. »Es darf niemand wissen«, bat ich sie. »Niemand außer
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