Die Festung der Titanen: Die Götterkriege 4 (German Edition)
wahrer«, gab ich zurück, und sie schüttelte den Kopf.
»Ich irre mich nicht, Havald«, meinte sie bestimmt. »Aber das ist für später. Noch stehst du ihm nicht gegenüber. Doch jetzt und hier müssen wir die Priester daran hindern, ihrem verfluchten Nekromantenkaiser Zugang zu diesem Grab zu gewähren. Du weißt, was du tun musst, Havald. Du musst annehmen, was die Götter dir gaben, also höre auf, dich dagegen zu wehren!«
Ich schaute erst sie und dann die anderen verzweifelt an. »Ihr wisst nicht, was das bedeutet«, teilte ich ihnen mit. »Viele von denen, die ich erschlug, waren nur einfache Soldaten, die schlicht das Pech hatten, mir gegenüberzustehen … ich könnte es ertragen, ihr Leben nachzuleben, aber was ist mit den Seelenreitern? Den Priestern dieses verfluchten Gottes? Was sie in ihrem Leben taten, all die Grausamkeiten, die Blutsopfer, all das … ich will ihr Leben nicht erfahren, es nicht leben müssen! Ich will sie nicht verstehen, ich will nicht wissen, wie es dazu kam, dass sie solche Ungeheuer wurden, dass sie zu solchen Taten fähig waren! Das könnt ihr nicht von mir verlangen, selbst die Götter dürfen dies nicht von mir fordern, es ist zu viel!«
»Du hast recht, Havald«, sagte Zokora leise. »Es gibt nur einen, der dies von dir verlangen darf. Und das bist du.« Sie legte den Kopf schräg und sah mich fragend an. »Wie lange kämpfst du schon diesen Kampf, Havald?«
»Seitdem ich im Tempel des Soltar erwachte«, antwortete ich ihr und setzte mich auf einen der Trümmer, um den Kopf schwer in die Hände zu stützen. »Ich wusste nicht, wer ich bin, meine eigene Erinnerung hatte ich verloren, nur gab es diese anderen Erinnerungen, die mich bedrängten. Zwischen einem Blinzeln und dem nächsten konnte es geschehen, dass ich glaubte, jemand anderer zu sein, bis die nächste Erinnerung kam und ich erneut jemand anderes war. Und die ganze Zeit … die ganze Zeit erzählte man mir, ich wäre der Engel des Todes … ein Lanzengeneral des Reichs … und ich wusste, dass dies nicht stimmen konnte … bis ich mich an das nächste Leben erinnerte und dann das nächste …« Ich hob den Kopf und sah sie verzweifelt an. »Vor allem davor hat mich Elsine gerettet«, sagte ich rau. »Verwundert es da, dass ich dachte, ihr einen Gefallen schuldig zu sein? Zumal dieser dem Kaiserreich nur nützen konnte?« Ich lachte bitter. »Wisst Ihr, wer es war, der sich mir aufzwängte, das Tor aufstieß? Dieser verdammte Ordun, der erste Seelenreiter, den ich jemals traf. Er sitzt in meinem Geist wie eine Klette, selbst jetzt höre ich ihn lachen! Soll ich ihn und all die anderen, die wahnsinnigen, die fanatischen Anhänger des dunklen Gottes, all die Mörder und Verbrecher, die ich in meinem Leben erschlagen habe, soll ich sie in meinen Geist lassen, ihr Leben leben, sagt mir, wie soll ich das ertragen? Und was ist mit jenen …« Ich schluckte. »Was ist mit jenen, deren Leben ich nahm, die schuldlos waren? Oder nicht schuldiger als ich, die nur unter der falschen Flagge kämpften? Den Ehemännern und Vätern, die ihre Frauen und Söhne nie wiedersehen werden? Was ist mit der Schuld, die ich auf mich lud und nur vergessen will?«
»Die Schuld ist die deine«, sagte Zokora fast schon flüsternd. »Ob du sie vergessen willst oder nicht. So ist es bei jedem von uns, wir alle tragen unsere Schuld. Doch dies geht am Punkt vorbei, Havald«, fügte sie sanft hinzu. »Ich gab dir bereits recht, niemand kann dies von dir verlangen. Niemand. Niemand … nur du selbst.«
Ich sah zu Serafine hin, die vor mir stand und mühsam lächelte, während ihr die Tränen die Wangen hinabrannen. »Was auch immer du entscheidest«, kam es so leise von ihr, dass ich sie kaum hören konnte. »Ich stehe hinter dir.«
Ich sah sie lange an, schaute dann zu Varosch hin, der verhalten nickte, und Zokora, deren Blick mir wie üblich sagte, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffen sollte, und letztlich zur alten Enke, die grimmig dreinschaute. Von irgendwoher hatte sie wieder ihr verdammtes Strickzeug ausgepackt, aber im Moment schien es vergessen, fast wäre es mir lieber, sie würde eifrig mit den Nadeln klappern, so gäbe es wenigstens mehr zu hören als nur meine verzweifelten Gedanken.
Mein Blick kehrte zu Serafine zurück.
»Wirst du es tun?«, fragte sie flüsternd während sich ihre Hände so fest ineinanderkrallten, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Mir kam es vor, als wäre es einer dieser
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